„Scheiß` auf Frauen und Kinder zuerst, wir sind hier nicht auf der Titanic!“
Aus: Aliens vs. Predator II
Wie Arbeitgeber beim Thema Elternzeit versuchen, Druck zu machen: Und wie Sie gegenhalten können
Wir wollen uns nicht lange mit der Vorrede aufhalten: Dass die deutsche Gesellschaft nicht gerade kinderfreundlich ist, ist eine Binsenweisheit, trotz gesetzlicher Regelungen, die eigentlich Abhilfe schaffen sollen. So ist im Arbeitsleben die Beantragung und Gewährung der Elternzeit selbst meist nicht das Problem. Schwierig wird es, wenn Eltern / Mütter danach wieder arbeiten wollen, wegen des Kindes aber nur noch in Teilzeit. Dann müssen sie spätestens drei Monate vor Ende der Elternzeit einen schriftlichen Antrag gem. § 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) auf Verringerung der Arbeitszeit beim Arbeitgeber stellen.
Damit beginnt oft das Dilemma. Zwar werden die Eltern mehr oder weniger gern nach Auslaufen der Elternzeit „zurückgenommen“, aber der Vorhang fällt, wenn sie nicht mehr in Vollzeit arbeiten wollen. Dann stößt die Kinderfreundlichkeit vieler Arbeitgeber an ihre Grenzen. Sie lehnen den Teilzeitwunsch des betreuenden Elternteils allzu oft mit der Behauptung ab, das sei innerbetrieblich nicht umsetzbar. Die Arbeitnehmerin (wir verwenden die weibliche Form, da es meist um Mütter geht) sei herzlich willkommen – aber nur in Vollzeit! Dabei wissen Arbeitgeber, besonders wenn sie selbst Kinder haben, dass das meist nicht klappt.
Nimmt man das „Nein“ des Arbeitgebers nicht hin, muss man den Teilzeitwunsch gerichtlich durchsetzen. Die langsamen Mühlen der Justiz spielen aber dem Chef in die Hände: Eine Verfahrensdauer in erster Instanz von vier Monaten und mehr bedeutet für die gebeutelte Mutter, dass sie nach Ablauf der Elternzeit und während des laufenden Verfahrens zunächst in Vollzeit (!) ins Arbeitsleben zurück muss, will sie ihre Stelle nicht riskieren. Derart perfide kalkulierende Arbeitgeber zeigen sich dann aber „verantwortungsbewusst“, indem sie betroffenen Arbeitnehmerinnen anbieten, das Arbeitsverhältnis für „kleines Geld“ zu beenden.
Dabei haben viele, ihre Teilzeit einklagende Arbeitnehmerinnen gute Erfolgschancen. Denn so leicht, wie es sich viele Arbeitgeber machen, ist es nicht, einen Teilzeitwunsch rechtlich geschützt abzulehnen. Der pauschale Hinweis auf organisatorische Schwierigkeiten reicht nicht aus.
Fallbeispiel
Die Klägerin war seit September 2001 Hauswirtschaftsleiterin in einer Kindertagesstätte. Laut Arbeitsvertrag sollte sie 38,5 Stunden wöchentlich arbeiten. Am 30. Juli 2002 vereinbarten die Parteien eine befristete Verringerung der Arbeitszeit für die Zeit vom 1. September 2002 bis 31. August 2003 auf 30 Stunden wöchentlich wegen der Betreuung der erstgeborenen Tochter der Klägerin. In der Kindertagesstätte wurden mindestens 111 Kinder betreut. Im hauswirtschaftlichen Bereich sind neben der Hauswirtschaftsleiterin drei bis vier Mitarbeiter tätig. Die Klägerin hatte die Verantwortung für den gesamten hauswirtschaftlichen Bereich. Nach Geburt des zweiten Kindes 2004 nahm sie schlussendlich bis Februar 2007 Elternzeit in Anspruch. Mit Schreiben vom 25. Juli 2005 beantragte sie Teilzeitarbeit. In dem Schreiben hieß es wörtlich: „… ich bin derzeit in Elternzeit. Da ich keine Möglichkeit sehe, mit zwei kleinen Kindern (2 und 5 Jahre) eine Vollzeitstelle auszuüben, beantrage ich hiermit eine Teilzeitarbeit mit 20 Stunden.“ Dem Schreiben legte sie einen Vorschlag zur Aufgabenverteilung der Hauswirtschaftsleitung mit versetzten Arbeitszeiten von zwei Hauswirtschaftsleiterinnen in Teilzeit bei.
Darauf die Antwort vom August 2005: Nicht genehmigt! Man sah sich also vor Gericht, wo die Hauswirtschaftsleiterin ihren Teilzeitwunsch gerichtlich geltend gemacht hat. Der Prozess lief durch alle Instanzen, bis zum Bundesarbeitsgericht.
Das BAG stellte im Ergebnis fest, dass sich die Kita-Leitung mit ihrer Ablehnung des Teilzeitvorschlags selbst ein Bein gestellt hatte. Warum? Weil sie behauptet hatte, es existiere in der Kita ein Organisationskonzept einer „qualifizierten” Hauswirtschaftsleitung, das dem Arbeitszeitverlangen der Klägerin entgegenstünde. Die Kita-Leitung monierte, die Hauswirtschaftsleitung sei in dieser Zeit umfassend mit anderen Aufgaben beschäftigt.
„Mit dieser Begründung darf der Verringerungsanspruch aber nicht verneint werden“, erklärten die Richter des BAG eindeutig.
Denn der Arbeitgeber hat nach § 8 Abs 4 Satz 1 und 2 TzBfG der Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit zuzustimmen, soweit keine betrieblichen Gründe dagegensprechen. Betriebliche Gründe berühren die Umsetzung des Arbeitszeitverlangens die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb. Diese müssen wesentlich beeinträchtigt sein oder es müssen unverhältnismäßig hohe Kosten entstehen.
Die Teilung eines Vollzeitarbeitsplatzes könne, so das BAG, sehr wohl geeignet sein, entgegenstehende betriebliche Gründe zu vermeiden – das heißt, dass das Gericht dem Teilzeitkräfte-Vorschlag der Klägerin sinnvolle Aspekte abgewinnen konnte.
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