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SWP-Anwälte in Düsseldorf - Fachanwalt für Arbeitsrecht

Willkommen im Hamsterrad! – Mehr Leistung, ohne Grenzen?

Arbeitnehmer

„Am Ende begann er wieder einmal, die Unregelmäßigen herzusagen, aber zu seinem tödlichen Schrecken wusste er fast nichts mehr. Alles rein vergessen! Und morgen war Landesexamen!“

Hermann Hesse, Unterm Rad

So, wie dem Schüler Hans Giebenrath, der in den Mühlen des preußischen Erziehungssystems in Hermann Hesses anklagender Erzählung Unterm Rad so lange geschliffen wird, bis nichts mehr von ihm übrig ist, ergeht es immer mehr Menschen im modernen Arbeitsleben. Die amerikanischen Verhältnisse haben Deutschland in vielen Unternehmen längst erreicht. Was noch fehlt, ist das in Japan vielerorts übliche Absingen der Unternehmenshymne an jedem Morgen. Aber auch das kann ja noch kommen. Doch Sarkasmus beiseite: Es ist heute eine Binsenweisheit, festzustellen, dass in vielen Unternehmen Umsatz, Gewinn und Marktanteile mittlerweile um jeden Preis gesteigert werden sollen.

Ein schlechteres Arbeitsklima, psychische Beeinträchtigungen und erhöhte Krankenstände werden billigend in Kauf genommen. Nach dem Motto: Wer ausgebrannt ist, fliegt.

Wer dem Druck, immer mehr zu leisten und den damit verbundenen Forderungen nicht standhält, wird zunächst regelmäßig abgemahnt. Erhebt sich der Arbeitnehmer nach der Abmahnung nicht wie „Phönix aus der Asche“, wird meist mit aller Macht versucht, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Dabei schießen jedoch Arbeitgeber allzu oft weit über die zulässigen Grenzen hinaus.

Nur zu gern wird vergessen, dass ein Arbeitsvertrag eine besondere Form des Dienstvertrages nach § 611 BGB ist. Das heißt: Es geht in ihm nicht um Leistungserfolg, sondern um die optimale Arbeitsleistung des Beschäftigten „unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten“. Und das während einer bestimmten Zeit. Arbeitnehmer können daher nicht für den wirtschaftlichen Misserfolg ihrer Firma verantwortlich gemacht werden. Sie sind schließlich keine Arbeitgeber oder Unternehmer.

Natürlich versuchen Arbeitgeber oft, diesen Gedanken des Gesetzes zu umgehen, indem sie mit ihren Arbeitnehmern vertragliche Vereinbarungen über bestimmte Leistungserfolge schließen. Einerseits wird es dabei dem Arbeitgeber leichter gemacht, eine „Vertragsverletzung“ nachzuweisen und damit eine Kündigung durchzusetzen. Andererseits muss aber auch er den Nachweis darüber führen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) und viele Landesarbeitsgerichte (LAG) sind sich einig: Eine quantitativ und qualitativ schlechte Arbeitsleistung kann typischerweise allenfalls Anlass für eine ordentliche Kündigung sein. Eine außerordentliche Kündigung auf dieser Grundlage ist nur in Ausnahmefällen rechtens, wenn der Arbeitnehmer bewusst, also vorsätzlich Arbeitskraft zurückhält und „unter nicht angemessener Anspannung seiner Kräfte und Fähigkeiten arbeitet“ (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 25.07.2003, 14 Sa 657/03; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 11.07.2001, 2 Sa 135/01; LAG Köln, Urteil vom 11.02.1993, 10 Sa 1072/92).

Fallbeispiel

Unser Fall aus dem Jahr 2001 zeigt, wie schwer es ist, genau das festzustellen. Sogar das Bundesarbeitsgericht traute es sich nicht zu, darüber zu befinden, ob wirklich eine „Schlechtleistung“, so der juristische Ausdruck, vorlag. Der Kläger war als Kommissionierer bei einem Lebensmittelhandelsunternehmen im Hauptlager beschäftigt. Seine Aufgabe, die er seit 1980 wahrnahm, war es, Ware aus den Regalen zu holen und mit einem Flurwagen zum Weitertransport zu bringen.

Das Gehalt basierte auf einer Grundvergütung und Prämien, die sich an der Leistung der im Lager Beschäftigten orientierte. Schon seit 1999 erfüllte der Kläger laut Unternehmensseite die Durchschnittsleistung nicht, die man von ihm wie von allen anderen Lagerarbeitern hätte erwarten können. Als sich nach zwei Abmahnungen seine Leistung bis 2001 nicht erhöhte, wurde dem Mann gekündigt (der Betriebsrat stimmte zudem zu!). Der Gefeuerte klagte auf Wiedereinstellung. Der wichtige Mechnanismus, durch den sich das Verfahren durch mehrere Instanzen und über mehrere Jahre hinzog, liegt im Wesen des Arbeitsverhältnisses begründet.

So können Unternehmen nicht von sich aus festlegen, welche Leistung im Durchschnitt und pauschal von allen Arbeitnehmern zu erfüllen ist. Es kommt auf den Einzelfall an. Der Arbeitgeber muss hierbei aber schlüssig vortragen und beweisen, warum die Leistung so schlecht war, dass ein weiteres Arbeitsverhältnis nicht mehr zumutbar ist. Der Arbeitnehmer muss dann aufzeigen, warum er die verlangte Leistung nicht erbringen konnte.

Im Fall unseres Kommissionierers hat die Firma lange Statistiken aufgestellt und komplizierte Planzeitberechnungen vorgelegt, die zeigten, dass alle anderen, in derselben Abteilung Beschäftigten erheblich mehr leisteten. Der Gekündigte argumentierte, wesentliche arbeitswissenschaftliche Grundsätze seien in dem Planzeit- und Prämienmodell außer Acht gelassen worden (in den „Durchschnitt“ würden Bestleistungen eingerechnet, die einzelne Arbeitnehmer nur mit unzähligen unbezahlten Überstunden erbringen konnten). Zudem seien sein Alter und seine langjährige Betriebszugehörigkeit überhaupt nicht berücksichtigt worden.

Kurz: Es könne keine Leistung von ihm verlangt werden, die er objektiv unter normalen Vertragsbedingungen (normale Arbeitszeit) und aufgrund seines Alters gar nicht zu erbringen in der Lage sei. In diesem Punkt schloss sich der Senat des BAG auch der Vorinstanz an: Es gebe keine Erfolgshaftung für den Arbeitnehmer, er schulde „lediglich das Wirken, nicht das Werk.“

Ein Arbeitnehmer, der trotz angemessener Bemühung die Normalleistung unterschreite oder nicht erbringe, verstoße nicht gegen den Vertrag, sondern „unterschreite die nicht zur Vertragsbedingung erhobene berechtigte Erwartung des Arbeitgebers von einem ausgewogenen Verhältnis von Leistung und Gegenleistung“. Die Frage dieser Balance steht oft im Fall unverschuldeter krankheitsbedingter Kündigungen im Raum.
Letztlich wurde der Fall am 11. März 2003 an das zuständige LAG zurückverwiesen. Er sei noch nicht entscheidungsreif.

Joachim Piezynski

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