„Einmal, ein einziges Mal nur möchte ich normal Weihnachten feiern!“
Aus: Stirb Langsam 2
Sicher, Officer John McClane in Stirb Langsam 2 wäre schon mit weniger zufrieden: Beispielsweise mit einem Weihnachtsfest, an dem nicht auf ihn geschossen wird. Für viele Arbeitnehmer steht jetzt aber wieder die große Frage im Raum: Weihnachtsgeld oder nicht Weihnachtsgeld?
Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zur „Betrieblichen Übung“ wird verständlich, warum viele Arbeitgeber so einen Schlingerkurs fahren – zahlen sie drei Jahre in Folge die gleiche Summe, entsteht eine „Gewöhnung“, auf die sich Arbeitnehmer berufen können. Die Folge: Sie müssen weiterzahlen. Um nicht in diese Zwickmühle zu geraten, sorgen die meisten Unternehmen vor. Tarif- oder Arbeitsverträge sehen ohnehin nur selten 13 Monatsgehälter vor. Leisten Arbeitgeber freiwillig Zahlungen auf Basis von Betriebsvereinbarungen, können sie das durch Kündigung der Betriebsvereinbarung abstellen. Zudem enthalten viele Arbeitsverträge Klauseln, die besagen, dass die Gewährung von Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld freiwillig und jederzeit widerruflich sein soll.
Dadurch soll verhindert werden, dass eine betriebliche Übung entsteht. Die Rechtslage ist aber nicht eindeutig.Unter einer betrieblichen Übung versteht man die „regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers“, aus denen Arbeitnehmer schließen können, dass ihnen eine Leistung auf Dauer gewährt wird (Verhalten des Arbeitgebers signalisiert eine Willenserklärung gemäß § 151 BGB). Das schafft ein vertragliches Schuldverhältnis, aus dem bei Eintritt der Anspruchsvoraussetzungen ein einklagbarer Anspruch auf die üblich gewordene Vergünstigung erwächst. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit dem Willen, sich zu verpflichten handelte.
Faustregel: Wird jährlich an die gesamte Belegschaft eine Gratifikation gezahlt, tritt nach dreimaliger vorbehaltloser Gewährung Verbindlichkeit ein.
Zumindest in der Theorie nach geltender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Wann also kann man mit seiner Weihnachtsgratifikation fest kalkulieren? Über so einen Fall hatte der 10. Senat des BAG in seiner Entscheidung vom 30. Juli 2008, Aktenzeichen 10 AZR 606/07 zu entscheiden.
Fallbeispiel
Die Klägerin arbeitete seit 1992 bei einer Eisenbahn- und Bauplanungsgesellschaft als technische Angestellte. Im Arbeitsvertrag heißt es: „Die Angestellte erhält Weihnachtsgratifikation in Höhe des Bruttogehaltes / nach den tariflichen Bestimmungen / nach den betrieblichen Vereinbarungen / als betriebliche Leistung mit Rechtsanspruch. Ein Rechtsanspruch auf eine Weihnachtsgratifikation besteht nicht. Wird eine solche gewährt, stellt sie eine freiwillige, stets widerrufbare Leistung des Arbeitgebers dar.“ Also von vornherein eine widersprüchliche Formulierung.
Die in § 5 des Vertrags vom 1. März 1996 unterstrichenen Worte “Weihnachtsgratifikation in Höhe des Bruttogehaltes” wurden maschinenschriftlich in die Vertragsurkunde eingefügt. Im Januar 2003 vereinbarten die Parteien, dass die Klägerin ab Februar 2003 ein monatliches Grundgehalt von 2000 Euro erhält und dass alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag vom 1. März 1996 unberührt bleiben. Die Firma zahlte in den Jahren 1992 bis 2003 eine Weihnachtsgratifikation in Höhe der jeweiligen Bruttomonatsvergütung. 2004 sollte damit Schluss sein. Die Angestellte hakte im Januar 2005 schriftlich nach, schließlich ging die Sache vor Gericht.
Sie argumentierte, nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung Anspruch auf Weihnachtsgeld für 2004 zu haben. Die Regelungen in § 5 der Arbeitsverträge hätten das Entstehen einer betrieblichen Übung nicht verhindert, zudem halte die Kombination eines Freiwilligkeits- mit einem Widerrufsvorbehalt einer Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB nicht stand, da sie widersprüchlich sei.
Die Firma hielt dagegen: Die Regelung im Arbeitsvertrag verhindere einen Rechtsanspruch auf die Weihnachtsgratifikation. Das zuständige Arbeitsgericht hingegen wies die Klage ab. Schließlich zog sich das Ringen ums Weihnachtsgeld durch alle Instanzen bis vors BAG.
Das gab ihr am Ende recht: „Der Klägerin steht nach § 5 Satz 1 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 1. März 1996 für das Jahr 2004 Weihnachtsgratifikation in Höhe ihres monatlichen Bruttogehalts von 2.000,00 Euro zu.“ Ohne Bedeutung sei dabei, dass die Parteien die Worte in § 5 Satz 1 des Vertragsmusters “nach den betrieblichen Vereinbarungen” nicht gestrichen hätten. Der Vorbehalt in § 5 Satz 2 des Vertrags, wonach ein Rechtsanspruch auf eine Weihnachtsgratifikation nicht besteht, hindere den Anspruch der Klägerin auf Weihnachtsgeld für 2004 entgegen der Ansicht des Unternehmens nicht.
Allerdings erkenne die Rechtsprechung des BAG an, dass ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der nicht bloß darauf hinweist, dass sich der Arbeitgeber “freiwillig” zur Erbringung der Leistung verpflichtet, ohne dazu durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz gezwungen zu sein, das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf künftige Sonderzahlungen verhindern kann. Der Arbeitgeber kann einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf Sonderzahlungen ausschließen und sich die Entscheidung vorbehalten, ob und in welcher Höhe er sie leistet.
Daran, so das Gericht, sei auch weiter festzuhalten, falls bereits im Arbeitsvertrag oder später bei der Leistung der Sonderzahlung klar und verständlich darauf hingewiesen werde, dass aus der Leistung der Sonderzahlung Ansprüche nicht hergeleitet werden können. Freiwilligkeitsvorbehalte bei Sonderzahlungen, die einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Sonderzahlung auch bei wiederholter Zahlung nicht entstehen lassen, weichen nicht von allgemeinen Rechtsgrundsätzen ab.
Kaum ein Grundsatz aus der Rechtsprechung hat einen so hohen Bekanntheitsgrad im Arbeitsleben erlangt, wie die Begründung eines Anspruchs auf Gratifikation durch dreimalige Zahlung des Arbeitgebers. Hat der Arbeitgeber vergessen, einen entsprechenden Vorbehalt zu machen, sind sich die Juristen einig, dass danach ein Anspruch auf Gratifikation besteht. Unstrittig ist, dass die Voraussetzungen nicht vorliegen, wenn der Arbeitgeber klar und verständlich darauf hingewiesen hat, dass durch die Gewährung kein Anspruch für die Zukunft entsteht.
Mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt verbundene Sonderzahlungen werden oft jahrelang geleistet. Allerdings kann eine jahrelange Leistung von Sonderzahlungen dazu führen, dass der Arbeitnehmer trotz Hinweis im Vertrag, dass kein Rechtsanspruch besteht, mit dieser rechnet. Besonders dann, wenn die Sonderzahlung nicht an besondere Voraussetzungen oder Leistung für den Unternehmenserfolg gekoppelt ist.
Nach diesen Ausführungen kam das BAG zum eigentlichen Knackpunkt seiner Entscheidung: Soll ein Freiwilligkeitsvorbehalt in einem vorformulierten Arbeitsvertrag nicht nur so verstanden werden, dass sich der Arbeitgeber “freiwillig” zur Erbringung der Leistung verpflichtet, ohne dazu durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz gezwungen zu sein, sondern soll er das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf zukünftige Zahlungen hindern, muss er klar und verständlich sein und darf nicht in Widerspruch zu anderen Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien stehen. Formulierungen, die eindeutig einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Sonderzahlung begründen, indem sie festlegen, dass Anspruch auf eine bestimmte Sonderleistung besteht, oder regeln, dass der Arbeitnehmer an einem Bonussystem teilnimmt, verpflichten zur Leistung der Sonderzahlung. In so einem Fall verspricht der Arbeitgeber eine Leistung im Sinne von § 308 Nr. 4 BGB. Damit ist es widersprüchlich, wenn der Arbeitgeber gleichzeitig mit einer Freiwilligkeitsklausel einen Rechtsanspruch auf die versprochene Sonderzahlung ausschließen will.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze verstoßen die Regelungen in § 5 Satz 2 und Satz 3 des Arbeitsvertrags im vorliegenden Fall gegen das Transparenzgebot und sind deshalb ersatzlos unwirksam. Der Wortlaut des Vertrages mag eindeutig sein, die Regelung ist jedoch deshalb nicht klar und verständlich, weil sie zu der in § 5 Satz 1 des Arbeitsvertrags getroffenen Vereinbarung in Widerspruch steht. Mit den Worten “in Höhe des Bruttogehaltes” haben die Parteien auch die Höhe der Weihnachtsgratifikation präzise bestimmt. Auch soweit § 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags von einer “stets widerrufbaren Leistung des Arbeitgebers” spricht, lässt sich die Klausel vom Wortlaut her nur dahingehend verstehen, dass der Klägerin eine Weihnachtsgratifikation zusteht. Der Widerruf einer Leistung durch den Arbeitgeber setzt den Anspruch des Arbeitnehmers auf die Leistung voraus. Hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Leistung, geht ein Widerruf der Leistung ins Leere. Der unwirksame Freiwilligkeitsvorbehalt falle damit ersatzlos weg, erläutert das BAG.
Das Unternehmen musste das ausstehende Weihnachtsgeld in Höhe von 2.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB zahlen und die Kosten des Rechtsstreits tragen.
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