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SWP-Anwälte in Düsseldorf - Fachanwalt für Arbeitsrecht

Schwerbehinderte im Arbeitsleben I

Aktuelle Rechtsprechung Arbeitnehmer

Cuddy: „Dieser Platz gehört nicht Ihnen, sondern dem Krankenhaus und wir sind der Meinung, dass dieser Platz dem gebührt, der am schwersten behindert ist. In ihrem Antrag auf einen Behindertenplatz steht, Sie können 50 Meter gehen.“

Aus: Dr. House 3. Staffel

Die Integrationsvereinbarung: Leitartikel 1

Nicht jeder Behinderte ist wie Dr. House in der gleichnamigen Fernsehserie in der Lage, sich sein „Recht“ mit allen möglichen Mitteln zu verschaffen. Deshalb hat der Gesetzgeber im Jahr 2001 das Instrument der „Integrationsvereinbarung“ erstmals in das Sozialgesetzbuch IX (SGB IX, dem ehemaligen Schwerbehindertengesetz) eingefügt. Es findet sich nun in § 83 SGB IX. Da es seit 2001 wenige Fälle gegeben hat, in denen rechtliche Fragen zu der Integrationsvereinbarung gerichtlich geklärt worden sind, sind viele Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Integrationsvereinbarung in der betrieblichen Praxis stellen, nicht eindeutig und abschließend zu beantworten. Aus diesem Grund gehen wir in diesem Beitrag näher auf die sich in der betrieblichen Praxis stellenden Fragen zur Integrationsvereinbarung ein.

1. Zweck

Der Abschluss von Integrationsvereinbarungen soll die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben dadurch stärker unterstützen, dass die betriebliche Integrationsarbeit über sie gesteuert wird. Der Gesetzgeber will die Betriebsparteien dazu anhalten, auf den konkreten Betrieb abgestimmte Vereinbarungen abzuschließen, welche dazu dienen, das Arbeitsumfeld und die Arbeitsbedingungen für die schwerbehinderten Mitarbeiter im Betrieb spürbar zu verbessern.

Es gibt im SGB IX keine erforderliche Mindestgröße für einen Betrieb, damit die Verpflichtung zum Abschluss einer Integrationsvereinbarung für den Arbeitgeber entsteht. Allerdings setzt die Bildung einer SBV die Beschäftigung von mindestens fünf schwerbehinderten Menschen im Betrieb voraus. Gibt es keine SBV, weil der Grenzwert nicht überschritten wird, steht dem Betriebsrat das Initiativrecht auf Abschluss der Integrationsvereinbarung zu. Ein Betriebsrat kann wiederum nur gebildet werden, wenn im Betrieb mindestens fünf Arbeitnehmer beschäftigt werden. Daraus folgt mittelbar, dass der Betrieb mindestens fünf Mitarbeiter umfassen muss, damit die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Abschluss einer Integrationsvereinbarung entsteht.

2. Parteien

Nach § 83 Abs. 1 Satz 1 SGB IX trifft der Arbeitgeber die Integrationsvereinbarung mit der Schwerbehindertenvertretung (sog. SBV) und dem Betriebsrat. Wenn eine Gesamtschwerbehindertenvertretung (sog. GSBV) besteht, ist diese für die Verhandlungen und den Abschluss der Integrationsvereinbarung für alle Betriebe des Arbeitgebers zuständig, § 97 Abs. 6 Satz 1 SGB IX. Daraus folgt wohl auch, dass in diesem Fall eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates nach § 50 Abs. 1 BetrVG besteht. Von allen Beteiligten kann das Integrationsamt zur Unterstützung beim Abschluss einer Integrationsvereinbarung einbezogen werden. Das Integrationsamt wird aber hierdurch nicht zur Partei der Integrationsvereinbarung. Die zustande gekommene Vereinbarung wird der zuständigen Agentur für Arbeit und dem zuständigen Integrationsamt übermittelt (§ 83 Abs. 1 SGB IX).

3. Rechtsnatur

Es ist rechtlich umstritten, welche Rechtsnatur die Integrationsvereinbarung hat. Es gibt keine weiteren gesetzlichen Fälle, in denen sowohl der Betriebsrat als auch die SBV mit dem Arbeitgeber eine verbindliche Vereinbarung treffen. Deswegen kann die Integrationsvereinbarung nicht anhand der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe von Vereinbarungen geklärt werden.

Vertreten wird, dass es sich nicht um eine Betriebsvereinbarung handele, weil nach dem Gesetz keine Schriftform vorgeschrieben ist. Hierfür spricht auch, dass die SBV in erster Linie Partei der Vereinbarung ist. So steht z. B. der SBV im Gegensatz zum Betriebsrat das Initiativrecht auf Abschluss einer Integrationsvereinbarung zu.

Deshalb ist wohl davon auszugehen, dass es sich um eine Vereinbarung eigener Art handelt, für die es bislang keinen vergleichbaren Fall gibt. In jedem Fall handelt es sich aber um eine kollektive Regelung, die nicht für einen einzelnen Mitarbeiter geschlossen wird, sondern sich stets auf den ganzen Betrieb beziehen muss.

4. Erzwingbarkeit der Integrationsvereinbarung

a. Anspruch der SBV?

In § 83 Abs. 1 S. 1 SGB IX heißt es, der Arbeitgeber treffe mit den dort genannten Stellen eine verbindliche Integrationsvereinbarung. In der Literatur wird aufgrund dieser Formulierung vertreten, die SBV habe einen erzwingbaren Anspruch auf Abschluss einer Integrationsvereinbarung.

Der Verpflichtung zum Abschluss einer Integrationsvereinbarung müsse im Umkehrschluss zu einem entsprechenden Anspruch der SBV führen.

Dem ist das Landesarbeitsgericht Hamm in einem Beschluss vom 19.01.2007 ausdrücklich entgegen getreten und hat dies wie folgt begründet: In der Rechtsordnung gebe es neben der Möglichkeit, auf die Verpflichtung einer Seite mit einem entsprechenden Anspruch der anderen Seite zu reagieren, auch die Konstellationen des Entstehens „bloßer“ Sekundärpflichten oder von Obliegenheiten.

Gegen das Bestehen eines Anspruchs spreche entscheidend der Bedeutungszusammenhang mit § 83 Abs. 1 S. 2 SGB IX. Wenn danach auf Antrag der SBV als Trägerin eines eigenen Mitwirkungsrechts Verhandlungen über den Abschluss einer Integrationsvereinbarung zu führen sind, diese also vom Arbeitgeber ein entsprechendes Tun verlangen kann, ergibt sich daraus bei einem Schweigen des Gesetzgebers im Umkehrschluss, dass kein Anspruch auch auf den Abschluss einer solchen Integrationsvereinbarung besteht. Anderenfalls wäre die Verpflichtung zur Aufnahme von Verhandlungen überflüssig, denn sie würde von der weitergehenden Verpflichtung zum Abschluss einer auszuhandelnden Integrationsvereinbarung mit umfasst.

Der Gesetzgeber sei wohl offensichtlich vom guten Willen aller Beteiligten ausgegangen, aufgrund gegebenenfalls erzwingbarer Verhandlungen einvernehmlich zum Abschluss einer Integrationsvereinbarung zu gelangen.

Auch der Sinn und Zweck einer Integrationsvereinbarung spreche gegen einen Anspruch auf Abschluss einer solchen Abrede. In ihr werden – insoweit vergleichbar mit einer Betriebsvereinbarung – nicht in erster Linie Rechtsfragen gelöst. Vielmehr enthält sie „Regelungen“ im Zusammenhang mit der Eingliederung schwerbehinderter Menschen (§ 83 Abs. 2, Abs. 2a SGB IX). Dabei auftretende Meinungsverschiedenheiten werden im Bereich des BetrVG in der Einigungsstelle beigelegt, wobei deren Spruch nur einer begrenzten arbeitsgerichtlichen Kontrolle unterliegt (§ 76 BetrVG).

Wenn demgegenüber der Gesetzgeber in § 83 Abs. 1 Satz 4 SGB IX „nur“ die Möglichkeit vorsehe, das Integrationsamt als neutralen Vermittler, Moderator bzw. Mediator einzuschalten, um unter sachkundiger Begleitung zum (freiwilligen) Abschluss einer Integrationsvereinbarung zu gelangen, könne dieses System nicht durch die Aufstellung eines Kontrahierungszwangs unterlaufen werden.

b. Anspruch des Betriebsrates?

Wie sich aus § 83 Abs. 1 Satz 2 SGB IX ergibt, steht dem Betriebsrat kein Initiativrecht auf Führung der Verhandlungen über den Abschluss einer Integrationsvereinbarung zu und demzufolge erst Recht kein Anspruch auf Abschluss einer solchen Integrationsvereinbarung.

Allerdings hat er im Gegensatz zur SBV die Möglichkeit, unter den Voraussetzungen des § 95 Abs. 2 BetrVG, also in Betrieben mit mehr als 500 Mitarbeitern, eine Auswahlrichtlinie für Einstellungen und Versetzungen zu verlangen und durchzusetzen, in denen vergleichbare Regelungen zur Förderung schwerbehinderter Menschen aufgenommen werden.

Hierzu hat das Landesarbeitsgericht Köln mit Beschluss vom 03.05.2005 ausdrücklich entschieden, dass dieser Anspruch des Betriebsrates nicht ausgeschlossen ist, weil im Betrieb auch eine Integrationsvereinbarung abgeschlossen werden könnte.

Der Gesetzgeber hat nämlich keine Aussage zum Verhältnis einer Integrationsvereinbarung zu dem betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrecht nach § 95 Abs. 2 BetrVG getroffen. Daraus ist zu folgern, dass der Betriebsrat auch dann über Auswahlrichtlinien im Sinne des § 95 Abs. 2 BetrVG die Besetzung von Arbeitsplätzen mit schwerbehinderten Menschen fördern kann, wenn eine Integrationsvereinbarung abgeschlossen werden könnte.

Zum einen hat der Betriebsrat einen eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Auftrag, die Eingliederung der Schwerbehinderten und sonstiger besonders schutzbedürftiger Personen zu fördern, wie sich aus § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG ergibt. Zum anderen hat er dabei mit der Schwerbehindertenvertretung zusammenzuarbeiten. So hat die Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 4 SGB IX ein Recht zur beratenden Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats.

Deshalb bestehen die Rechte der SBV aus § 83 SGB IX unabhängig von denen des Betriebsrates aus § 95 BetrVG.

5. Inhalt einer Integrationsvereinbarung

Die Integrationsvereinbarung kann ein ganzes Bündel von arbeitsplatz- und beschäftigungserhaltenden Maßnahmen umfassen. Ihre sachlichen Schwerpunkte können sich vor allem auf die Themen der Personalplanung, Arbeitsplatz- und Arbeitsumfeldgestaltung, Arbeitsorganisation und Arbeitszeitregelungen für behinderte Menschen beziehen.

Als Planungsinstrument legt sie die betriebliche Organisation und ihre Entscheidungsträger auf klar verständliche und messbar formulierte Ziele fest. Mit der Integrationsvereinbarung können verbindliche Maßnahmenpläne für die Integration schwerbehinderter Menschen, für die Rehabilitation behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen und für die Prävention vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes geschaffen werden.

Die Belange schwerbehinderter Frauen sollen dabei besonders berücksichtigt werden (§ 83 Abs. 2 SGB IX). Mit dem im Jahr 2004 novellierten SGB IX wurden die Regelungsbereiche weiter konkretisiert.

Als typische Inhalte nennt das Gesetz nun Regelungen:

  • zur angemessenen Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung von Arbeitsplätzen,
  • zu einer anzustrebenden Beschäftigungsquote,
  • zur Teilzeitarbeit,
  • zur Ausbildung behinderter Jugendlicher,
  • zur Umsetzung der betrieblichen Prävention (Regelungen zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement) sowie
  • zur Einbindung eines Werks- oder Betriebsarztes.

Entscheidend für die Wirksamkeit der Integrationsvereinbarung ist, dass die getroffenen Zielvereinbarungen möglichst konkret sind und sich an den individuellen Gegebenheiten des einzelnen Betriebes bzw. der Dienststelle orientieren.

Das Kernstück der Integrationsvereinbarung bilden die Zielvereinbarungen der Verhandlungspartner. Dabei sind erreichbare, messbare Ziele und entsprechende Zielvereinbarungen zum Erreichen dieser Ziele zu vereinbaren. Das Ergebnis besteht in Zielvereinbarungen, die verbindlich und geeignet sind, den Integrationsprozess spürbar voranzubringen. Die Qualität der Integrationsvereinbarung bemisst sich nicht an der Zahl und am Umfang der Zielvereinbarungen, sondern an deren Umsetzbarkeit und der für die behinderten Beschäftigten erkennbaren und spürbaren Wirksamkeit.

Es reicht nicht aus, sich Ziele vorzugeben. Ebenso wichtig ist es festzuhalten, wer für die Erreichung der Ziele verantwortlich ist und in welchem Zeitraum die jeweiligen Ziele erreicht sein sollen. Das Steuern über Zielvereinbarungen funktioniert nur, wenn der Prozess der Zielerreichung regelmäßig beobachtet und nachgehalten wird. Die Instrumente, die hierbei helfen, sind Controlling und Berichtspflicht.

Jörg Werth

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