„90-60-90… das sind die Noten weswegen wir Dich hier eingestellt haben.“
Aus: Bang Boom Bang – Ein todsicheres Ding
Wenn es doch immer nur so einfach wäre wie in unserem Filmzitat… ist es aber nicht. Und ja, entschuldigen Sie bitte, selbstverständlich haben wir unsere zwei Euro in die „Chauvi-Kasse“ entrichtet und geloben Besserung. Doch passt das Zitat aus Bang Boom Bang, weil es auf krasse Weise karikiert, wie komplex die Situation tatsächlich ist, wenn es um Einstellungen geht.
Denn bloß, weil die Wirtschaft wieder anzieht, heißt dass ja nicht, dass Unternehmen jetzt wieder den Geldhahn öffnen, reihenweise unbefristet einstellen und alles gut ist. Im Gegenteil – befristete Beschäftigungsverhältnisse und das Thema „Arbeitnehmerüberlassung“ also Zeit- bzw. Leiharbeit, werden wohl noch lange das Arbeitsleben in unserer Republik prägen.
Welche Rolle spielt der Betriebsrat dabei? Fangen wir von vorn an:
Dem Betriebsrat steht gemäß § 99 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei Einstellungen zu, es soll dem Schutz der Belegschaft dienen.
Dieser Schutz greift bei Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern. Es muss also immer der allgemeine Personalrahmen im Auge behalten und die voraussichtliche Entwicklung berücksichtigt werden. Angewandt wird § 99 BetrVG außer auf leitende Angestellte auf alle Arbeitnehmer. Wichtig ist aber, dass sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nicht nur auf alle Arbeitnehmer, sondern auf alle Personen im Betrieb erstreckt: Und zwar, sobald sie zusammen mit den schon beschäftigten Arbeitnehmern „den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs durch weisungsgebundene Tätigkeit verwirklichen“. Und das können auch Mitarbeiter von Fremdfirmen sein.
Einstellung liegt schon vor, wenn ohne Arbeitsvertrag beschäftigt wird
Eine Einstellung im Sinne von § 99 BetrVG liegt laut BAG bereits vor, wenn eine Person im Betrieb tatsächlich beschäftigt wird – auch ohne Arbeitsvertrag! Einzige Voraussetzung ist, dass die Person eine „weisungsgebundene Tätigkeit“ verrichtet, die der Verwirklichung des Betriebsziels dient.
Damit sind auch Leiharbeitnehmer im Sinne von § 99 BetrVG eingestellt. Bezüglich werk- bzw. dienstvertraglicher Tätigkeit kommt es bei § 99 BetrVG darauf an, ob die fraglichen Personen so in die Arbeitsorganisation eingegliedert sind, dass der Arbeitgeber / Auftraggeber die für ein Arbeitsverhältnis typischen Entscheidungen über deren Arbeitseinsatz auch nach Zeit und Ort trifft.
Typische Weisungen: Bestimmung des täglichen Arbeitsbeginns, Zuweisung von Aufgaben oder Reihenfolge der Arbeitsschritte. Ab hier greift also das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
Unterrichtung des Betriebsrats: bitte umfassend und rechtzeitig!
Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat zu einer geplanten Einstellung umfassend und rechtzeitig informieren. Rechtzeitig bedeutet bei Neueinstellungen spätestens eine Woche vor Abschluss des Arbeitsvertrages bzw. vor Arbeitsaufnahme, falls die zeitlich vor dem Vertragsabschluss liegt. Bei Neueinstellungen müssen die Personalien aller, also auch der Bewerber, die nicht eingestellt werden sollen, vorgelegt werden. Zu nennen sind: Name, genaue Personalien, vorgesehene Eingruppierung, Einstellungszeitpunkt – und alle persönlichen Fakten den Bewerber betreffend, die den Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 BetrVG zur Verweigerung der Zustimmung berechtigen könnten.
Um sich ein Bild von den Bewerbern machen zu können, erhält der Betriebsrat Einsicht in die Bewerbungsunterlagen, also vom Bewerber eingereichte Unterlagen.
Bei Leiharbeitnehmern umschließt die Unterrichtungspflicht deren Anzahl, Qualifikation, den Einstellungstermin, die Einsatzdauer, vorgesehene Arbeitsplätze, Auswirkungen auf die Stammbelegschaft und die Frage nach der Anwendbarkeit eines Tarifvertrages. Zudem muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat bei Einstellung eines Leiharbeitnehmers mitteilen, ob der Verleiher eine gültige Verleiherlaubnis hat. Die Auskunft muss rechtzeitig, wahrheitsgemäß und vollständig sein – sonst handelt der Arbeitgeber ordnungswidrig (§ 121 BetrVG).
Erfolgt die Unterrichtung offensichtlich unvollständig oder unterbleibt sie ganz, beginnt die Anhörungsfrist nicht zu laufen. Ist die Anhörung nicht offensichtlich unvollständig, empfiehlt es sich dringend, den Arbeitgeber binnen der Frist auf die noch unvollständige Information sowie darauf hinzuweisen, dass die Anhörungsfrist deshalb nicht läuft.
Stellungnahme des Betriebsrats: Frist von einer Woche
[dropcap2]D[/dropcap2]er Betriebsrat muss zu den Maßnahmen gemäß § 99 BetrVG innerhalb einer Woche Stellung nehmen. Zur Vorbereitung kann er Einsicht in die oben genannten Unterlagen nehmen, hat aber keinen Anspruch auf Kopien oder Abschriften. Äußert er sich nicht rechtzeitig, gilt die Zustimmung gemäß § 99 Abs. 3 BetrVG als erteilt. Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn einer der Gründe aus § 99 Abs. 2 BetrVG vorliegt.Zustimmung: Verweigerungsgründe nach § 99 Abs. 2 BetrVG
Es reicht, wenn sich die Verweigerung der Zustimmung auf einen einzigen der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Gründe stützt. Der Grund muss dem Arbeitgeber mitgeteilt worden sein. Auf Gründe, auf die der Betriebsrat in seiner Stellungnahme nicht hingewiesen hat, kann er sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung später nicht mehr berufen.
Diese Verweigerungsgründe nach § 99 Abs. 2 BetrVG kann der Betriebsrat ins Feld führen:
Diese Verweigerungsgründe nach § 99 Abs. 2 BetrVG kann der Betriebsrat ins Feld führen:
Verstoß gegen Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Unfallverhütungsvorschriften (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG)
Die Einstellung selbst muss gegen eine gesetzliche Vorschrift usw. verstoßen. Eine Maßnahme unter Verstoß gegen § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist regelmäßig an sich schon nichtig gemäß § 134 BGB. Wenn sich jedoch der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer einig sind, bestünde mangels besonderer Vorschriften des BetrVG keine oder nur eine sehr beschränkte Möglichkeit für den Betriebsrat, die Rücknahme der Einstellung zu erreichen. Folgende gesetzliche Verbote und Vorschriften in Rechtsverordnungen kommen in Frage:
Das Verbot der Beschäftigung von schwangeren Frauen oder Müttern zu bestimmten Zeiten (§§ 3, 4, 6, 8 Mutterschutzgesetz), die gesundheitsschutzrechtlichen Vorschriften (§§ 3 ff. Arbeitszeitgesetz), in bestimmten Fällen das Verbot der Beschäftigung von Jugendlichen (§§ 22 ff. Jug-ArbSchG), Beschäftigung von Ausländern (außer EU-Staaten) ohne Arbeitsgenehmigung (§§ 284 ff. SGB III) sowie Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG, § 611a BGB).
Auch kann ein Betriebsrat die Zustimmung zu einer Einstellung eines Leiharbeitnehmers verweigern, wenn die Verleihfi rma nicht über die erforderliche Erlaubnis nach § 1 AÜG zur Verleihung von Mitarbeitern verfügt.
Vorsicht: Nicht jeder Verstoß gegen einen Tarifvertrag berechtigt den Betriebsrat zur Verweigerung der Zustimmung bei einer Einstellung, obwohl der Wortlaut von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG darauf hindeutet. Die Einstellung selbst muss nach der Rechtsprechung gegen den Tarifvertrag verstoßen. Häufig wird versucht, die Zustimmung zu einer Einstellung zu verweigern, weil der Arbeitgeber den neuen Mitarbeiter finanziell zu untertariflichen Konditionen beschäftigen möchte. Dies reicht aber nicht für eine Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Die Einstellung muss direkt gegen den Zweck einer tariflichen Norm verstoßen. Dies ist nur selten tatsächlich der Fall.
Verstoß gegen Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG (§ 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG)
Die Verletzung von Auswahlrichtlinien berechtigt den Betriebsrat zur Verweigerung der Zustimmung, egal ob der Betriebsrat die Aufstellung von Richtlinien verlangen konnte (§ 95 Abs. 2 BetrVG) oder sie nur nach freiwilliger Einführung durch den Arbeitgeber in ihrer Ausgestaltung dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates unterlagen (§ 95 Abs. 1 BetrVG). Eine praktisch häufig vereinbarte Auswahlrichtlinie ist der Grundsatz „intern vor extern“.
Besorgnis der Benachteiligung anderer Arbeitnehmer (§ 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG)
Die vorgesehene Einstellung muss dem Betriebsrat einen belegbaren Anlass zur Besorgnis geben, dass durch sie einem anderen Arbeitnehmer gekündigt werden muss oder er einen Nachteil haben wird. Die Maßnahme muss nicht zu einer Beendigungskündigung führen, eine Änderungskündigung reicht aus. Als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch Nichtberücksichtigung eines befristet Beschäftigten bei gleicher Qualifikation. Selbst wenn ein Nachteil im Sinne von Nr. 3 vorliegt, greift die Zustimmungsverweigerung nicht, wenn die Maßnahme durch betriebliche oder persönliche Gründe gerechtfertigt ist, also auch zu einer Kündigung führen könnte oder schon geführt hat. Die Darlegungslast liegt hier beim Arbeitgeber.
Benachteiligung des von der personellen Maßnahme betroffenen Arbeitnehmers (§ 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG)
Zwar können grundsätzlich auch neu eingestellte Mitarbeiter benachteiligt werden, gerade wenn für sie ohne sachlichen Grund schlechtere Arbeitsbedingungen gelten sollen als für vergleichbare bestehende Arbeitsverhältnisse; diese Benachteiligungen stellen jedoch für den Betriebsrat keine Gründe für eine Verweigerung der Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG dar, weil die Einstellung selbst keine Benachteiligung des neuen Mitarbeiters ist. Benachteiligt wird er in einem solchen Fall vielmehr durch eine Klausel im Arbeitsvertrag. Gegen diese Benachteiligung muss der Mitarbeiter sich ggf. selbst wehren.
Unterbliebene Ausschreibung gemäß § 93 BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG)
Unterlässt der Arbeitgeber die innerbetriebliche Ausschreibung eines Arbeitsplatzes, obwohl der Betriebsrat sie verlangte, kann der Betriebsrat der Besetzung eines Arbeitsplatzes unter Hinweis hierauf ohne weitere Begründung die Zustimmung verweigern. Es kommt dann nicht darauf an, ob im Betrieb überhaupt geeignete Bewerber vorhanden sind. Der Betriebsrat kann z. B. auch seine Zustimmung verweigern, wenn der freie Arbeitsplatz nicht geschlechtsneutral ausgeschrieben ist oder wenn der Arbeitgeber vereinbarte Ausschreibungsgrundsätze verletzt hat.
Gefahr für den Betriebsfrieden durch Einstellung (§ 99 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG)
Hier müssen Angaben über Verhalten des Bewerbers vorgebracht werden, die zeigen, dass begründete Besorgnis besteht, er werde sich an seinem Arbeitsplatz gesetzwidrig verhalten oder die Grundsätze des § 75 Abs. 1 BetrVG grob verletzen und den Betriebsfrieden stören. Beispiele für Verletzung der Grundsätze des § 75 Abs. 1 BetrVG sind etwa rassistische oder fremdenfeindliche Betätigungen.
Unter gesetzeswidriges Verhalten fallen auch Beleidigungen, Diebstahl, Raufereien, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sowie Denunziation und Mobbing. Allerdings ist gesetzeswidriges Verhalten unerheblich, wenn es nicht mit dem Betrieb zusammenhängt.
Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung zu einer Maßnahme fristgerecht, muss der Arbeitgeber über das Arbeitsgericht die Zustimmung des Betriebsrates gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG ersetzen lassen – so er die Maßnahme trotzdem durchführen will. Das Arbeitsgericht ersetzt die Zustimmung des Betriebsrats jedoch nur, wenn der Arbeitgeber die Verweigerungsgründe widerlegen kann.
Streitigkeiten: Wenn die verweigerte Zustimmung vor dem Arbeitsgericht landet
Das Arbeitsgericht entscheidet im Beschlussverfahren, wobei die von der personellen Maßnahme betroffenen Mitarbeiter keine Beteiligten sind. Stellt es rechtskräftig fest, dass kein ausreichender Grund für eine Zustimmungsverweigerung vorliegt, gibt es dem Antrag des Arbeitgebers statt, der dann die Maßnahme durchführen kann.
Lehnt es den Antrag ab, muss der Arbeitgeber endgültig von der Durchführung absehen. Hat sich die streitige Maßnahme vor oder während des Beschlussverfahrens erledigt, ist das Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG wegen Erledigung der Hauptsache einzustellen. Auch, wenn der Betriebsrat der Erledigung widerspricht.
Vorläufige personelle Maßnahme (§ 100 BetrVG): Nur bei sachlichen Gründen
Als vorläufige personelle Maßnahme kann der Arbeitgeber im Sinne des § 100 BetrVG die Maßnahme auch vor der Äußerung des Betriebsrats oder nach endgültiger Verweigerung durchführen. Er muss nur dringend gebotene sachliche Gründe anführen.
Dringende Erforderlichkeit ist gegeben, wenn sie auf Umständen beruht, die der Arbeitgeber nicht rechtzeitig erkennen konnte. Notwendig ist eine Maßnahme nur, wenn es keine andere Möglichkeit gab und der Arbeitgeber es nicht darauf anlegte, in eine Situation zu kommen in der die Einstellung nötig wurde.
Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) nach Durchführung der Maßnahme unterrichten. Geschieht dies nicht, kann der Arbeitgeber die Maßnahme aufrecht erhalten, bis das Arbeitsgericht über die Verweigerung der Zustimmung entschieden hat. Bestreitet der Betriebsrat hingegen die Dringlichkeit der Maßnahme sofort, muss der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht innerhalb von drei Tagen einen Antrag gemäß § 100 Abs. 2 BetrVG auf Ersetzung der Zustimmung und auf Feststellung der Dringlichkeit der vorläufig durchgeführten personellen Maßnahme stellen.
Bejaht das Arbeitsgericht die Dringlichkeit und verneint es das Bestehen der Verweigerungsgründe, kann der Arbeitgeber die Maßnahme durchführen. Verneint es die Dringlichkeit und erkennt es die Verweigerungsgründe an, ist die Maßnahme hinfällig (§ 100 Abs. 3 Satz 2 BetrVG).
Bejaht das Gericht die Dringlichkeit und erkennt die Verweigerungsgründe an, war die Maßnahme vorläufig gerechtfertigt, muss aber aufgehoben werden.
Verneint es zum anderen die Dringlichkeit der Maßnahme und das Vorliegen der Verweigerungsgründe, führt das bei offensichtlicher Nichtdringlichkeit zur Abweisung des Feststellungsantrages. Die Maßnahme war dann ungerechtfertigt – und muss aufgehoben werden.
Aufhebung personeller Maßnahmen wegen Nichtbeachtung des Mitbestimmungsrechtes (§ 101 BetrVG)
Führt der Arbeitgeber eine personelle Maßnahme tatsächlich ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechtes durch, kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht die Aufhebung gemäß § 101 Satz 1 BetrVG beantragen. Die Vorschrift dient der Sicherung und Erhaltung der personellen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach §§ 99, 100 BetrVG.
Für den Fall, dass der Arbeitgeber auch nach rechtskräftiger Entscheidung des Arbeitsgerichtes gemäß § 101 Satz 1 BetrVG die personelle Maßnahme nicht aufhebt, kann der Betriebsrat einen Antrag auf Festsetzung von Zwangsgeld gemäß § 101 Satz 2 BetrVG stellen. Dadurch kann dem Arbeitgeber ein Zwangsgeld von bis zu 250 Euro pro Tag der Zuwiderhandlung auferlegt werden.
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