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SWP-Anwälte in Düsseldorf - Fachanwalt für Arbeitsrecht

„Man darf nicht gefallen wollen!“

Betriebsräte Interview

Zur Person:

Birgit Krause-Kolvenbach ist seit 1981 bei Gerling tätig. Direkt nach dem zweiten juristischen Staatsexamen trat sie in den Versicherungskonzern ein, damals als Vorstandsassistentin des Haftpflicht-Vorstandes. Seit 12 Jahren ist sie Betriebsratsvorsitzende, insgesamt hat sie 23 Jahre Erfahrung als Betriebsrätin. Die Gerling-Versicherungsgruppe wurde 2006 durch die Finanzholding Talanx AG übernommen. Seit Januar 2006 bereiteten eine Vielzahl von Projektteams die Integration von Gerling in die Talanx vor. Schnell war dabei klar: Es geht um klare Fokussierung auf den Standort Hannover, Köpfe würden rollen. Insgesamt 27 Gesamtbetriebsräte und Betriebsräte bildeten den Konzernbetriebsrat. Birgit Krause-Kolvenbach gehörte zu ihnen und musste feststellen, dass es den Kölner Standort mit seinen 3000 Mitarbeitern und hier insbesondere die GKA (1000 Mitarbeiter) am schlimmsten treffen würde. SWP sprach mit ihr über ihre Erfahrungen in der schwierigen Umbauphase, nach der letztlich unter großem Druck sehr viele Kollegen, die sie vertreten hat, nach Hannover wechseln mussten.

Frau Krause-Kolvenbach, was war Ihre Rolle bei der Eingliederung von Gerling in die Talanx?

Ich war als Mitglied des Konzernbetriebsrates in der Verhandlungskommission in alles an wesentlicher Stelle eingebunden, von der Phase der Informationsbeschaffung bis hin zur Aushandlung von Interessenausgleich und Sozialplan. Das war ein Unterfangen, das mich Tag und Nacht beschäftigt hat.

Bereuen Sie Ihre Entscheidung, Betriebsratsvorsitzende geworden zu sein?

Grundsätzlich nein. Die Entscheidung war damals genau die Richtige, und ich würde sie wieder so treffen.

Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer Tätigkeit?

Auf die Gefahr hin, jetzt philosophisch zu werden – ich glaube, dass Arbeitnehmer grundsätzlich in der schwächeren Position dem Arbeitgeber gegenüber sind. Sie brauchen folglich ein Sprachrohr und eine Interessenvertretung. Das ist die oberste Aufgabe jedes Betriebsrats gegenüber der Arbeitnehmerschaft. Man darf dabei allerdings den Erfolg des Unternehmens nicht aus den Augen verlieren. Denn von einer Insolvenz hat keine der beiden Seiten etwas. Das Verhältnis zwischen Unternehmensinteressen und Mitarbeiterinteressen muss ausgewogen sein. Denken Sie an Nokia oder Allianz, da werden Riesengewinne eingefahren, und trotzdem gibt es Massenentlassungen. Das grundlegende Problem ist meines Erachtens, dass in unserer Zeit Werte nicht mehr gelebt werden und die gesellschaftliche Haltlosigkeit auch in den Unternehmen Raum greift. Als Betriebsräte müssen wir ein Gegenmodell vorleben. Man muss ein realistisch denkender Idealist sein.

Damit geben Sie uns das Stichwort für die nächste Frage. Welche charakterlichen Voraussetzungen braucht man denn Ihrer Meinung nach für das Amt des Betriebsrats?

Man braucht Durchsetzungsvermögen, aber auch eine gewisse Ruhe und Gelassenheit den Dingen gegenüber. Die Geschäftsleitung kocht auch nur mit Wasser. Man muss das Säbelrasseln als solches erkennen und aushalten können, darf nie seine Ziele aus den Augen verlieren, muss sich in seinen Gegenüber einfühlen können und ein Stückweit Schachspieler sein. Jeder Zug ergibt eine neue Spielsituation, die es erfordert, Denkschemata loszulassen uns sich auf veränderte Situationen einzustellen.

Was hat Sie denn an dem Prozess, den Sie in den letzten Monaten maßgeblich mitgestaltet haben, am meisten bewegt – positiv wie negativ?

Positiv hat mich am meisten das Verhältnis zu den Mitarbeitern bei uns in der GKA (Gerling Konzern Allgemeine Versicherungs-AG, Anm. von SWP) bewegt. Immer wenn ich dachte, ich hätte keine Kraft mehr, hatte jemand ein liebes, aufmunterndes Wort für mich, oder es standen morgens Blumen mit einem – manchmal anonymen – Dankschreiben auf meinem Schreibtisch. Auch wenn wir nicht die Ziele erreicht haben, die wir gern erreicht hätten, brachten uns die Mitarbeiter trotzdem Verständnis, Vertrauen, Anerkennung und Zuneigung entgegen. Sie haben uns nicht unter Druck gesetzt; stattdessen zeigten sie uns ihre Dankbarkeit dafür, dass der Betriebsrat so für sie gekämpft hat. Negativ hat mich die – nach meinem persönlichen Empfinden – mangelnde Aufrichtigkeit der neuen Geschäftsleitung am meisten berührt sowie die Tatsache, dass es nicht das oberste Interesse aller Verhandlungsbeteiligten zu sein schien, eine möglichst gute Lösung für alle Menschen im Betrieb zu finden. Ich denke, wir haben nicht alle so an einem Strang gezogen, wie wir es gekonnt hätten.

Sicherlich war die Restrukturierung Ihres Arbeitgebers keine einfache Aufgabe. Was für Erfahrungen haben Sie denn gemacht?

Vor allem die, dass wir vermutlich mehr hätten erreichen können, wie ich gerade schon sagte. Auch waren die Strategien der Geschäftsleitung interessant. Eine dieser Strategien war zum Beispiel, Konditionen anzubieten, die sich nicht im üblichen Rahmen bewegten, sondern unzumutbar waren. Dies hatte zur Folge, dass die Verhandlungskommission bereits unverhältnismäßig viel Kraft aufbringen musste, um die Konditionen auf die bei Verhandlungen übliche Ausgangsbasis hoch zu verhandeln.

Was war für Sie denn die schwerste Entscheidung der letzten zwölf Monate?

Das war die Entscheidung, an die Presse zu gehen. Eigentlich vertrete ich die Auffassung, dass man in einem Unternehmen wie in einer Ehe Probleme untereinander regelt und nicht nach außen trägt. Ein öffentlich ausgetragener Rosenkrieg ist meines Erachtens unehrenhaft. Aber letztlich hat dieser Schritt von allen unseren Vorgehensweisen die größte Wirkung erzielt. Eine solche Maßnahme würde ich allerdings wieder nur im absoluten Notfall ergreifen.

Wie viel von Ihrer Freizeit ging eigentlich in der heißen Phase der Umgestaltung für die Betriebsratsarbeit drauf?

Meine Freizeit bestand nur noch aus den Samstagen, die ich brauchte, um persönliche Dinge zu regeln. Ansonsten hatte ich so gut wie keine Freizeit. Wenn ich nicht bei Verhandlungen in Hannover im Hotel übernachtet habe, war ich selten vor 21 oder 22 Uhr zu Hause. Sonntags habe ich immer die Berge an Unterlagen für die nächste Woche durchgearbeitet und vorbereitet.

Sie haben ja sehr tiefgreifende Erfahrungen gesammelt. Welche Tipps würden Sie Betriebsräten geben, die noch nicht so viel Erfahrung im Umgang mit Arbeitgebern haben?

Neben den zuvor genannten Charaktereigenschaften ist ein Punkt ganz wichtig: Immer den geraden, ehrlichen Weg gehen! Egal, welchen Taktiken und Tricksereien man begegnet – wenn man sich selbst treu bleibt und zu seinem Wort steht, zahlt sich dies im menschlichen Miteinander langfristig immer aus. Bleiben Sie bei Ihren Zielen und lassen Sie sich nicht von Namen, Titeln oder Statussymbolen beeindrucken. Und: Man darf nicht gefallen wollen, sonst ist man manipulierbar.

Apropos gefallen – haben Sie den Eindruck, dass Ihr Arbeitgeber Ihre Arbeit und Ihre Verdienste als Betriebsrätin schätzt und respektiert?

Bei Gerling zumindest war es so, auch wenn wir viele Sträuße gefochten haben. Mit Talanx habe ich zu wenig Erfahrung, um eine Pauschalaussage treffen zu können. Aber ein Satz eines Talanx-Vorstandes, der mich sehr verletzt hat, ist mir immer noch im Gedächtnis: „Betriebsräte machen ihren Job doch nur, um für sich selbst etwas herauszuschlagen oder weil sie meinen, irgendeiner Berufung zu folgen…“

Was ist aus Ihrer Sicht der größte Erfolg, den Sie als Betriebsrätin hatten?

Dass auch Kollegen, die unsere Strategien bei den Verhandlungen kritisch sahen, gesagt haben: „Wir stimmen nicht mit allen euren Ideen überein, aber wir finden es toll, wie ihr für uns kämpft.“ Dass und das Vertrauen der Kollegen sind mir am meisten wert.

Frau Krause-Kolvenbach, vielen Dank für das Interview.

Jörg Werth

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