Klaus Heckel ist Volljurist und seit ca. 10 Jahren im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen, beim Zollkriminalamt tätig. Seit vielen Jahren übt er verschiedene Funktionen als Schwerbehindertenvertreter aus, wie:
Örtliche Vertrauensperson der Schwerbehinderten beim Zollkriminalamt,Bezirksvertauensperson der schwerbehinderten Menschen im Zollfahndungsdienst (Zollkriminalamt und die ihm nachgeordneten 8 Zollfahndungsämter)
Erste stellvertretende Vertrauensperson der Hauptschwerbehindertenvertretung beim Budesministerium der Finanzen.
Klaus Heckel ist selbst von Geburt an blind.
Herr Heckel, hat sich mit der Einführung einer Integrationsvereinbarung die Situation für die Schwerbehinderten im Zollkriminalamt verbessert?
Die Situation hat sich in jedem Fall verbessert – und sie tut es laufend, das ist ein lebendiger Prozess. Wir haben eine Rahmenintegrationsvereinbarung für die gesamte Bundesfinanzverwaltung geschaffen. Diese gibt es seit 2002 und wird regelmäßig aktualisiert. Derzeit wird gerade die dritte Fortschreibung vom Minister unterschrieben.
Die Vorteile für die Beschäftigten bestehen darin, dass es bestimmte, klar definierte Regelungen gibt, die in der Rahmenvereinbarung festgeschrieben sind und die Orientierung für die Beschäftigten bieten. Die Integrationsvereinbarung fasst zum einen viele bestehende Vorschriften, zum Beispiel gesetzliche Regelungen zusammen, wie etwa Maßgaben für Home-Office Modelle.
Darüber hinaus enthält sie aber eben auch sehr spezifische, für Schwerbehinderte neu geschaffene Regelungen, auf die man sich dann berufen kann. Um ein paar Beispiele zu nennen: Es gibt zum Beispiel Vorgaben für den Arbeitsweg bei extremen Wetterlagen wie Glatteis oder Stürmen. Für in der Mobilität eingeschränkte Personen, oder – wie ich – blinde Menschen, stellt sich da oft die Frage: ‚Komme ich ohne Risiko ins Büro?’ Anhand der Vereinbarung ist nun klar geregelt, wann es eine Dienstbefreiung gibt, die bis zu einem vollen Arbeitstag gelten kann. Die Arbeitszeit muss nicht nachgeholt werden. von dieser Regelung wird in der Praxisauch Gebrauch gemacht – besonders in den letzten Wochen mit teils starkem Schneefall: Hier gab es Kollegen, die wetterbedingt eben nicht abgeholt werden konnten und entsprechend dienstbefreit wurden.
Darüber hinaus werden viele andere Themen berührt, wie etwa flexible Gestaltung der Kernarbeitszeiten. Es werden auch eher alltägliche Dinge geregelt, wie zum Beispiel die Schaffung und Nutzung von Schwerbehindertenparkplätzen.
Wichtig ist, dass eine solche Integrationsvereinbarung nie fertig ist. Sie muss von Zeit zu Zeit angepasst werden, da Vorschriften sich regelmäßig ändern. Zusätzlich kann man bei den regelmäßigen Revisionen überprüfen, ob alles wirklich sinnvoll geregelt ist oder verbessert werden kann.
Was hat sich durch die Vereinbarung besonders verbessert?
Deutliche Verbesserungen gibt es zum Beispiel für die Schwerbehindertenvertretungen: Hinsichtlich der Frage von Freistellungen gab es hier in der Vergangenheit Unklarheiten. Steigende Anforderungen für die Schwerbehindertenvertreter einerseits, aber nur unzureichende Freistellungen vom Beruf andererseits. Durch klarere Regelungen in der Vereinbarung haben die Vertretungen hier jetzt mehr Planungssicherheit. Wenn zum Beispiel bisher einer Vertretung nur 20% Freistellung zugebilligt wurde, dann konnte durch einen Hinweis auf die Vereinbarung eine stärkere Freistellung durchgesetzt werden.
Gab es aufgrund der Integrationsvereinbarung Einstellungen von Schwerbehinderten Bewerbern, die sonst eventuell nicht eingestellt worden wären?
Mittelbar. Es gibt ja auch grundsätzliche gesetzliche Regelungen, dass in bestimmten Situationen Behinderte im Bewerbungsprozess bevorzugt zu behandeln sind. Man kann und sollte das auch nicht zu schwarz oder weiß malen.
Was man aber schon sagen kann ist, dass eine Integrationsvereinbarung alle am Einstellungsprozess Beteiligten sensibilisiert und die Probleme behinderter Menschen mehr ins Bewusstsein rückt. Das wiederum trägt dazu bei, dass Schwerbehindertenvertretungen verstärkt eingebunden werden und dass es Richtlinien für das Bewerbungsverfahren gibt, bezogen auf das jeweilige Handicap. Etwa wenn es um sogenannte Nachteilsausgleiche wie Pausen, oder Zeitverlängerungen im Einstellungsverfahren geht. In jedem Fall ist die Integrationsvereinbarung konkreter als allgemeine gesetzliche Regelungen. Davon profitieren alle Beteiligten.
Gab es aufgrund der Integrationsvereinbarung Beförderungen von schwerbehinderten Mitarbeitern?
Wenn, dann auch eher mittelbar. Ichhabe dafür kein konkretes Beispiel, aber in der Rahmenvereinbarung sind Regularien, die zu Beförderungen führen, abgebildet. Daneben gibt es Vorgaben zu so genannten Beurteilungsvorgesprächen: Diese finden statt, um herauszufinden, wie sich ein bestehendes Handicap bzgl. der zu leistenden Arbeit auswirkt. Denn dies muss im Bewerbungs- und Beförderungsprozess ja mit berücksichtigt werden. Diese klareren Vorgaben sorgen sicher für mehr Sensiblität und schaffen Rahmenbedingungen, durch die Beförderungen Behinderter begünstigt werden.
Gibt es Schwerbehinderungsarten (körperliche, psychische), für die sich die Anwendung einer Integrationsvereinbarung besonders gut/besonders schlecht eignet?
Besonders schlecht auf keinen Fall. Ansonsten haben wir die Erfahrung gemacht, dass sich Integrationsvereinbarungen besonders positiv für mobilitätseingeschränkte Personen auswirken. Zum Beispiel beim Thema Wetterlagen, wie eben schon gesagt. Bei psychischen Behinderungen ist das schwerer zu greifen, hier sind alle Beteiligten sicher noch am Lernen. Da würde ich jetzt mit Aussagen eher im Nebel stochern.
Kommt das BEM in der betrieblichen Praxis eher für Schwerbehinderte oder für nicht Behinderte Mitarbeiter zur Anwendung?
Das will ich vorsichtig ausdrücken: Das BEM gilt für alle – und da es mehr nichtbehinderte als behinderte Menschen gibt, wirkt es sich rein zahlenmäßig mehr für Nichtbehinderte aus. Da aber das BEM der Gesundheitsvorsorge dient, sind natürlich Schwerbehinderte auch stark davon betroffen, wenn sich z. B. durch das BEM ergibt, dass der Arbeitgeber besondere Tische oder Stühle beschafft, oder die Einrichtung eines Tele-arbeitsplatzes vereinbart wird.
Was möchten Sie den interessierten Lesern unseres Magazin mit auf den Weg geben?
Was mir immer geholfen hat, ist meine positive Lebenseinstellung, trotz Blindheit. Wenn das Schicksal zugeschlagen hat, leiden viele jedoch unter einer negativen Grundstimmung, bis hin zur Verzweiflung… Da hilft es sicher, wenn man Leute aufbauen kann. Dabei hilft neben vielen anderen zwischenmenschlichen Aspekten eine Integrationsvereinbarung ganz massiv. Sie „formalisiert“ gewissermaßen Dinge, die früher Tabus warenund um die oft ein regelrechter Eiertanz vollführt wurde. Zusammen mit einer gesunden Portion Humor kann man so viel schaffen. Einer meiner Lieblingssprüche zum Beispiel im Gespräch mit Vorgesetzten ist, wenn ich merke, dass gewisse Barrieren bestehen: „Das sieht doch ein Blinder!“ Das lockert das Gespräch dann schon ziemlich auf!
Herr Heckel, vielen Dank für das Interview.
Schreibe einen Kommentar