Aktuelle Rechtsprechung Betriebsräte
Betriebsratsausschluss – Diffamierung – „Hitler-Vergleich“ – Kostenübernahme
Leitsatz
Der zweimalige Personenvergleich der Betriebsratsvorsitzenden mit Adolf Hitler und seinen Methoden im Wochenabstand durch ein Betriebsratsmitglied rechtfertigt grundsätzlich dessen Ausschluss aus dem Betriebsrat.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über den Ausschluss des Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsratsgremium. Die Beteiligten zu 3) bis 6) betreiben einen Gemeinschaftsbetrieb in A. Der Beteiligte zu 1) ist der für den Gemeinschaftsbetrieb gewählte Betriebsrat. Er besteht aus dreizehn Mitgliedern.
Am 5. März 2012 äußerte der Beteiligte zu 2) anlässlich einer Betriebsratssitzung in B: „33 hat sich schon mal so jemand an die Macht gesetzt mit solchen Methoden.“ Er hat sich mit undatiertem Schreiben bei der Betriebsratsvorsitzenden entschuldigt. Ein deswegen eingeleitetes Verfahren vor dem Amtsgericht Düsseldorf wurde nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Eine wegen dieser Äußerung ausgesprochene arbeitgeberseitige Abmahnung hat der Beteiligte zu 2) akzeptiert.
Der Beteiligte zu 2) hat vorgetragen, seine Äußerung vom 5.März 2012 über 1933 sei vor dem Hintergrund des Verhaltens der Betriebsratsvorsitzenden zu sehen. Am 28. Febr. 2012 habe er geäußert, dass man nicht einfach so jemandem einen Freifahrtschein geben könne. Man hätte so etwas früher schon einmal gemacht und sei damit auf die Nase gefallen. Die ihm unterstellte Äußerung, 33 habe sich auch schon so einer an die Macht gesetzt, sei an diesem Tag von ihm nicht gefallen.
Entscheidung
Der Ausschließungsantrag des Beteiligten zu 1) ist begründet. Der Beteiligte zu 2) ist aus dem Betriebsrat auszuschließen. Ein den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat rechtfertigender grober Verstoß gegen gesetzliche Pflichten liegt dann vor, wenn diese Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. Ein solcher Verstoß ist anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds untragbar erscheint.
Die Ausschließung des Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat ist durch dessen ehrverletzende Äußerungen über die Betriebsratsvorsitzende gerechtfertigt. Der Beteiligte zu 2) hat sich nicht nur einmalig im Ton vergriffen, sondern den Hitler-Vergleich zweimal im Wochenabstand geäußert. Das Entschuldigungsschreiben ohne Datum kann die Entgleisung nicht rechtfertigen.
Diffamierende persönliche Beleidigungen stellen eine grobe Pflichtverletzung im Hinblick auf die Zusammenarbeit im Betriebsrat dar. Ehrverletzungen müssen, um den notwendigen Schweregrad einer Diffamierung zu erreichen, allerdings ein objektiv erhebliches Gewicht erreichen und zu offensichtlich schwerwiegenden Störungen der Zusammenarbeit führen. Dies ist in der Regel erst bei groben und böswilligen Beleidigungen oder Beschimpfungen der Fall. Zu berücksichtigen sind bei der notwendigen Bewertung die jeweiligen Gesamtumstände des Geschehens, ebenso wie die sich aus der Meinungsfreiheit ergebenden Betätigungsfreiräume des sich Artikulierenden. Unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabes stellen sich die Äußerungen des Beteiligten zu 2) vom 28. Febr. und 5. März 2012 als grobe Pflichtverletzungen dar. Es handelt sich um einen groben Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht der Betriebsratsvorsitzenden.
Der Hitlervergleich wird im Allgemeinen als Mittel gebraucht, um Widersacher zu beleidigen und zu diffamieren, und war auch vom Beteiligten zu 2) so gemeint. Der Nazi- und Hitlervergleich gehört in der politischen Auseinandersetzung zum Totschlagargument. Der Beteiligte zu 2) vergleicht nicht etwa diktatorische Methoden der Betriebsratsvorsitzenden und Hitlers, sondern in erster Linie auch die Personen, indem er ausführt, 33 hätte sich schon mal „so jemand“ an die Macht gesetzt mit solchen Methoden. Die Methoden führt der Beteiligte zu 2) erst in zweiter Linie an. „So jemand“ setzt die Betriebsratsvorsitzende unmittelbar mit Hitler gleich. Das Entschuldigungsschreiben rettet die Situation nicht. 33
Auf seine Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG kann der Beteiligte zu 2) sich nicht berufen. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt die Meinungsfreiheit sowohl im Interesse der Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen, mit der sie eng verbunden ist, als auch im Interesse des demokratischen Prozesses, für den sie konstitutive Bedeutung hat. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen fallen, namentlich im öffentlichen Meinungskampf, in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Das Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 Abs. 2 GG) kann der Meinungsfreiheit jedoch hier Grenzen ziehen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze genießt die Äußerung des Beteiligten zu 2) nicht den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG. Es ist eine herabsetzende Äußerung, die geeignet ist, das Persönlichkeitsrecht der Betriebsratsvorsitzenden zu verletzen.
Schreibe einen Kommentar