„Das ist der Wasserdruck. Irgendwann ist natürlich Schluss! Dann wird das Boot vom Wasserdruck zerquetscht!“
Aus: Das Boot
Vor 15 Jahren war kaum bekannt, was Betriebsräte tun. Spätestens seit der Opel-Krise änderte sich das, sind Öffentlichkeit und Medien an Betriebsräten interessiert. Längst kommen nicht mehr nur die Unternehmer in der Presse zu Wort. Mehr und mehr zählten auch die Positionen des Betriebsrates als Interessenvertretung der Belegschaft. Besonders deutlich wird das bei Restrukturierungen, die in der momentanen wirtschaftlichen Gesamtlage allerorten wie Pilze aus dem Boden schießen. Daher wächst aber auch der Druck auf die Arbeitnehmervertreter. Betriebsräte müssen nicht mehr nur die Erwartungen der eigenen Belegschaft erfüllen, also gute Ergebnisse in den Verhandlungen mit dem Arbeitgeber liefern, sondern sich mehr und mehr auch gegen Druck wehren, der ganz direkt auf sie ausgeübt wird. Auch persönlich.
Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Naujoks vertritt ausschließlich Arbeitgeber. Aus innerer Überzeugung, wie er selbst sagt. Arbeitsrechtler gibt es viele in Deutschland, Naujoks behauptet von sich, ein ganz Besonderer zu sein.
Naujoks stellt sich auf seiner Webseite unter folgendem Beratungsprofil vor:
- Beratung, wenn Betriebsratsmitglieder im Unternehmen schwerwiegende Pflichtverletzungen begehen
- Beratung, wenn Betriebsratsmitglieder ihre Rechte im Unternehmen missbrauchen
- Die außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung von Betriebsratsmitgliedern
- Verleumdungen der Geschäftsführung in der Öffentlichkeit
- Geschäftsschädigende Handlungen von Betriebsratsmitgliedern im Betrieb
- Beratung, wenn Gewerkschaftsfunktionäre, ihre Rechte im Untenehmen missbrauchen
- Hausverbot gegen Gewerkschaftsfunktionäre
- Strafbare Handlungen von Gewerkschaftsfunktionären
- Beratung außerordentlicher Kündigungen von Arbeitnehmern, die gemäß Tarifvertrag „unkündbar“ sind
- Die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung von Arbeitnehmern, die gemäß Tarifvertrag „unkündbar“ sind
- Die außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung von Arbeitnehmern, die gemäß Tarifvertrag „unkündbar“ sind
Das Vorgehen und die „Philosophie“ von Herrn Naujoks hat sogar in der Presse großen Widerhall gefunden. So hat die Süddeutsche Zeitung bereits 2007 ausführlich berichtet. Er polarisiert wie kein anderer Jurist. Gewerkschafter wie die Stuttgarter Verdi-Sekretärin Christina Frank nennen ihn „einen brutalen Betriebsratskiller, dem jedes Mittel recht ist“. Wie man Betriebsräte sprengt, erklärt er bundesweit zum Tagessatz von 995 Euro plus Mehrwertsteuer. Seit 1972 stellt das Betriebsverfassungsgesetz Betriebsräte zwar unter besonderen Kündigungsschutz, für Naujoks kommt es allerdings dabei nur auf die richtige Strategie an.
Er hat auch ein Buch zum Thema geschrieben: „Kündigung von Unkündbaren“ lautet der Titel. Auf 300 Seiten geht es darum, die loszuwerden, die nur scheinbar unkündbar sind: unter anderem auch Betriebsräte. Verdi nannte das Buch eine „Anleitung zu Psychoterror und Mobbing“, Mitte Juni verbot das Landgericht Hamburg der Dienstleistungsgewerkschaft diese Kritik. Verdi-Sekretärin Christina Frank bleibt dabei: Das Buch sei ein Drehbuch für seine Strategie.
Sie knüpft gerade ein Netzwerk der Naujoks-Geschädigten. Der sieht sich dabei nicht einmal als Feind der Gewerkschaften. Er werde zu Unrecht kritisiert, habe in vielen Fällen „mit Gewerkschaften sehr gut zusammengearbeitet“. Er sagt aber auch: „Für mich ist allein entscheidend, die Interessen meiner Mandantschaft zu vertreten.“ Dabei werden die Samthandschuhe ausgezogen. So im Winter 2006/2007 bei der Volksbank in Ludwigsburg.
„Verdi musste nur Naujoks sagen und jeder wusste, was gemeint war: die Menschen quälen, bis sie aufgeben“, kommentierte die Stuttgarter Zeitung. Die Berichte zeichnen ein Bild heftiger Kämpfe zwischen dem Bankvorstand, vertreten durch Naujoks, und dem Betriebsrat und Verdi.
Andrea Widzinski (43) ist seit elf Jahren Betriebsratschefin. Sie ist nicht nur in Ludwigsburg eine Größe, sondern auch ein einflussreiches Mitglied der Großen Tarifkommission von Verdi in Baden-Württemberg. Als sie der Forderung ihres Arbeitgebers nicht folgte, Verdi aus der Volksbank fernzuhalten, kündigte man ihr. Sie habe den Vorstandschef in der Kantine mit Erich Honecker verglichen und für eine dienstliche Bahnfahrt 89 Euro zu viel abgerechnet. Parallel lief ab, was Verdi-Sekretärin Frank „die Strategie Naujoks“ nennt. Die ziele darauf ab, „das Selbstwertgefühl der Betroffenen zu schädigen, sie im Unternehmen und auch privat zu isolieren und zur Aufgabe zu zwingen.“ Das Schema ist stets dasselbe, ob bei der Volksbank Ludwigsburg oder ähnlichen Auseinandersetzungen wie beim Kabelnetzbetreiber Kabel BW in Heidelberg. In beiden Fällen war Naujoks engagiert.
Überall wurden Betriebsräten die Daumenschrauben angelegt, die sich weigerten, der Gewerkschaft die Türe vor der Nase zuzuschlagen. Ein Dauerfeuer aus Klagen begann, Selbstverständlichkeiten der Mitbestimmung mussten vor Gericht erfochten werden. Bei Kabel BW lagen binnen weniger Woche 150 Rechtsstreite beim Arbeitsgericht. Außerdem wurde versucht, den Betriebsrat zu stürzen, indem man ihn via Arbeitsgericht zum Rücktritt zu zwingen versuchte. Einzelne Mitglieder wurden abgemahnt, gekündigt, verklagt, mit astronomischen Schadensersatzforderungen konfrontiert. Zugestellt wurde die entsprechende Post gern Samstagsmorgens – an die Privatadresse. Das Wochenende sollte zerstört sein. Weiterhin auf dem Mobbing-Menü: Betriebsräte wurden im Betrieb plötzlich geschnitten und isoliert, dienstliche E-Mail-Speicher gesperrt, Betriebs- oder Personalversammlungen zu Tribunalen umgemünzt bei denen Stimmung gegen den BR gemacht wurde. Es gab sogar Unterschriftensammlungen für die Ablösung des Gremiums. Kollegen, die nicht unterschrieben, wurden zum Chef zitiert. Es gab auch anonymen Telefonterror.
Laut Aussage diverser Betroffener begannen „die persönlichen Angriffe und Verfahren“ bei Kabel BW erst mit Naujoks Aufnahme des Mandates. Ob der aber wirklich der Architekt dieser Mobbing-Strategie ist, muss dahingestellt bleiben. Weder die Volksbank noch Kabel BW bezogen Stellung oder klärten über Details auf. Naujoks selbst verweist natürlich auf seine „anwaltliche Schweigepflicht“ – und distanzierte sich ganz generell von den beschriebenen Mobbing-Methoden. Keine Belegschaft würde sich so von einem externen Anwalt beeinflussen lassen, so Naujoks. Gewiss. Und Elvis lebt.
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