Aktuelle Rechtsprechung Betriebsräte
Achtung: Änderung der Rechtsprechung zur Mitbestimmung bei Dienstwagenregelungen
Also doch: Bei der Ausgestaltung der vom Arbeitgeber gestatteten Privatnutzung von Dienstwagen besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
Bisherige Rechtslage
Bislang musste SWP Betriebsräten stets davon abraten, im Streitfall zu versuchen, eine Betriebsvereinbarung über die Nutzung von Dienstwagen zu erzwingen, weil diese Materie nach der bisherigen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte keine zwingenden Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates auslöste.
So haben das LAG Frankfurt (Beschluss vom 26.05.1983, Az. 5 TaBV 20/83) und das LAG München (Beschluss vom 20.02.1981, Az. 4 (6) TaBV 33/80) in der Erlaubnis des Arbeitgebers, Dienstfahrzeuge auch privat nutzen zu dürfen, bloß einen mitbestimmungsrechtlich irrelevanten „unwesentlichen Reflex eines vorrangig dienstlichen Fahrzeuggebrauchs“ gesehen und keine Frage der betrieblichen Lohngestaltung. Damit haben diese Gerichte ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG abgelehnt.
Dem ist die überwiegende Meinung in der Literatur schon seit längerem entgegengetreten und hat darauf verwiesen, dass in der Erlaubnis des Arbeitgebers, Dienstfahrzeuge auch privat nutzen zu dürfen, ein geldwerter Vorteil und Sachbezug und als solcher regelmäßig eine zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung liegt. Die Gewährung solcher Vorteile stelle aber eine Frage der betrieblichen Lohngestaltung dar, die unter § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG falle.
Neue Entscheidung des Landesarbeitsgericht Hamm (vgl. Beschluss vom 07.02.2014, Az. 13 TaBV 86/13)
Nun hat das Landesarbeitsgericht Hamm endlich dieses Argument aufgegriffen.
Worum ging es in der Entscheidung?
Die Beteiligten stritten um das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bei der Ausgestaltung der von der Arbeitgeberin gestatteten Privatnutzung von Dienstwagen. Die Arbeitgeberin betreibt in ihrem 230 Arbeitnehmer umfassenden Betrieb eine Klinik für neurologische und neurochirurgische Rehabilitation. Bislang stellte sie ihrer als sog. Customer Relation Managerin tätigen Arbeitnehmerin X und dem als Haustechnikleiter fungierenden Mitarbeiter M jeweils einen Dienstwagen zur Verfügung; diesen durften sie auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung als Ergänzung zum Arbeitsvertrag auch zu privaten Zwecken nutzen.
Der im Betrieb bestehende antragstellende Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, insoweit sei § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht gewahrt worden, weil es sich um die mitbestimmungspflichtige Zuwendung von Sachbezügen als Lohnbestandteile handele.
Das LAG Hamm hat dem Betriebsrat zugestimmt und dies wie folgt begründet:
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht dem Betriebsrat im Falle der Verletzung seiner in § 87 BetrVG verankerten Mitbestimmungsrechte gegenüber dem Arbeitgeber ein allgemeiner Unterlassungsanspruch zu. Dieser beruht auf der sich als Ausfluss des Gebots zur vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) ergebenden Nebenpflicht des Arbeitgebers, alles zu unterlassen, was der Wahrnehmung bestehender Mitbestimmungsrechte durch den Betriebsrat entgegensteht.
Die Voraussetzungen sind hier erfüllt, weil die Arbeitgeberin bei ihrer Handhabung, bestimmten Arbeitnehmern einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zu überlassen, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt.
Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erfasst das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu Fragen der betrieblichen Lohngestaltung alle vermögenswerten Arbeitgeberleistungen, bei denen die Bemessung nach bestimmten Grundsätzen oder einem System erfolgt. Die Mitbestimmung ist also nicht beschränkt auf die unmittelbar leistungsbezogenen Entgelte, sondern sie umfasst alle Formen der Vergütung, die dem Arbeitnehmer mit Rücksicht auf seine Arbeitsleistung gewährt werden. Denn auch in der letzteren Konstellation besteht die Notwendigkeit, durch die Beteiligung des Betriebsrates die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Entgeltgefüges zu gewährleisten und für die Wahrung betrieblicher Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit zu sorgen.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze unterfällt auch die Ausgestaltung einer von einem Arbeitgeber mitbestimmungsfrei eingeräumten Möglichkeit zur Privatnutzung von Firmenfahrzeugen dem Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr.10 BetrVG.
Es ist also entgegen der Ansichten des LAG Frankfurt und des LAG München bei der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen nicht von einem mitbestimmungsrechtlich irrelevanten bloßen unwesentlichen Reflex eines vorrangig dienstlichen Fahrzeuggebrauchs auszugehen. Vielmehr handelt es sich um einen selbständigen Entgeltbestandteil, so dass über die Verteilungskriterien im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mit dem Betriebsrat eine angemessene und transparente Regelung zu treffen ist.
Fazit
Für die betriebliche Praxis bedeutet dies, dass Betriebsräte nun die Möglichkeit haben, zu bestehenden oder vom Arbeitgeber beabsichtigten Dienstwagenregelungen den Abschluss einer Betriebsvereinbarung erzwingen können.
Dabei kann der Betriebsrat insbesondere die Einhaltung des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes einfordern. Dies kann dazu führen, dass die Frage, welche Mitarbeiter das Recht zur Privatnutzung eines Dienstwagens erhalten, dann von sachlichen Kriterien abhängig gemacht werden kann, wie z. B. der Hierarchieebene oder Funktion im Betrieb. Hierdurch kann die Vergabe der Dienstwagen für die Mitarbeiter transparenter und damit gerechter werden.
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