„Das Ding ist wasserfest. Nicht mal ein Houdini käme aus dem Vertrag wieder raus.“
Aus: Ein Chef zum Verlieben
Wie Arbeitnehmer sich bei Abschluss eines solchen Vertrages selbst ins Bein schießen und drei Monate Sperrfrist fürs ALG 1 kassieren können
Auch wenn SWP inzwischen fast gebetsmühlenartig den Rat wiederholt, nichts zu unterschreiben, was nicht vom Fachanwalt für Arbeitsrecht geprüft wurde, passiert es doch immer wieder, sei es durch Druck des Arbeitgebers oder durch Unwissenheit.
Dass die meisten Arbeitnehmer aber ein „tolles“ Aufhebungsvertragsangebot erst einmal sacken lassen und sich über die Nachteile eines solchen informieren wollen, wissen auch die handelnden Arbeitgebervertreter. Daher sprechen sie zumeist von sich aus die Frage an, welche Nachteile dem betroffenen Arbeitnehmer für den Arbeitslosengeldbezug drohen, falls er unterschreibt. Hier – so erklären die Mitglieder des „Arbeitgeber-Tribunals“ gern – könne man den Arbeitnehmer beruhigen. Natürlich wisse man auf Seiten des Arbeitgebers, dass Arbeitnehmer bei einem Aufhebungsvertrag grundsätzlich mit einer Sperrzeit für den Arbeitslosengeldbezug gem. § 144 SGB III von bis zu 3 Monaten rechnen müssen. Der Arbeitgeber habe aber vorgesorgt.
So habe man die erste Klausel in dem Aufhebungsvertrag so formuliert, dass der Aufhebungsvertrag zur Vermeidung einer ansonsten auszusprechenden Arbeitgeberkündigung geschlossen werde. Durch diese „Klarstellung“ habe der Arbeitnehmer keine Sperrzeit zu befürchten. Dies habe die Rechtsprechung so entschieden. Im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Aussage und angesichts der vermeintlich hohen Abfi ndung, auf die Arbeitnehmer bei Ausspruch einer wirksamen Kündigung ja keinen Anspruch haben, wird so mancher dann doch schwach und unterschreibt – ohne zuvor einen Anwalt seines Vertrauens gefragt zu haben.
Im Nachhinein kommt dann bei der Arbeitsagentur das große Erwachen – trotz allen Aussagen und Regelungen „sperrt“ sie den Arbeitssuchenden für bis zu 3 Monate. Wie kann dies sein? Nun, die Erklärung liegt in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG). Wir wollen in diesem Zusammenhang das zwar nicht mehr „taufrische“ aber nach wir vor „brandaktuelle“ Urteil des BSG vom 12.07.2006, Aktenzeichen B 11a AL 47/05 R, darstellen:
Fallbeispiel
Im entschiedenen Fall war der Kläger seit 1995 bei der M Systeme GmbH beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch einen Aufhebungsvertrag vom 16. Juli 2003 aus betriebsbedingten Gründen zum 30. November 2003 beendet. Die einschlägige Kündigungsfrist wurde dabei berücksichtigt. Der Arbeitnehmer erhielt eine Abfindung in Höhe von 10.000 Euro und wurde ab Oktober unter Fortzahlung seines Gehalts von der Arbeit freigestellt. Ohne die Vereinbarung soll die Kündigung zum gleichen Zeitpunkt unumgänglich gewesen sein.
Der Kläger meldete sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Die örtliche Arbeitagentur bewilligte zwar das Alg 1, verhängte jedoch zunächst eine Sperrzeit von 3 Monaten. Der Widerspruch des Klägers hiergegen wurde zurückgewiesen.
Die Vorinstanzen bis zum Landessozialgericht (LSG) verurteilten die Bundesagentur für Arbeit (BfA) unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide einhellig, Alg ohne Sperrzeit zu zahlen. Sie waren der Meinung, eine Sperrzeit sei nicht eingetreten, weil der Kläger für sein Verhalten einen wichtigen Grund hatte. Ein solcher liege laut Rechtsprechung des BSG vor, wenn zeitgleich zur Auflösung eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung gedroht habe und sich der Kläger dagegen nicht arbeitsrechtlich hätte wehren können. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt gewesen. In der Revision griff die BfA diesen Punkt an: Dem vom LSG festgestellten Sachverhalt lasse sich nicht mit Sicherheit entnehmen, dass eine Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt drohte. Zudem zähle eine Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt nicht als vermiedener Nachteil, weil der nur „relativ“ sei. Außerdem sei nicht gesichert, dass der Kläger nur in Folge des Aufhebungsvertrages freigestellt wurde. Die Voraussetzungen für „besondere Umstände“ seien nicht erfüllt, weil derartige „relative Nachteile“ durch die Vertragsparteien vereinbar seien.
Die Revision vor dem Bundessozialgericht blieb ohne Erfolg. Auch das BSG entschied, dass der Kläger „für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses“ einen wichtigen Grund hatte und er deshalb Alg ohne Verhängung einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe für den Zeitraum von 32 Monaten beanspruchen konnte.
Eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe tritt nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB III ein, wenn der Arbeitslose vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeiführt, also z.B. selbst kündigt oder einen Aufhebungsvertrag schließt, ohne einen wichtigen Grund hierfür zu haben. Der Kläger in unserem Beispiel hatte keine konkreten Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz. Dennoch löste er sein Beschäftigungsverhältnis mit dem Aufhebungsvertrag – eigentlich also grob fahrlässig.
Nach Auffassung des BSG hatte der Kläger jedoch einen wichtigen Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, weil ihm die Kündigung drohte. Es genüge zwar nicht, dass der Arbeitslose bloß subjektiv meint, er habe im Hinblick auf eine drohende rechtmäßige Arbeitgeberkündigung einen wichtigen Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Vielmehr muss der „wichtige Grund“ objektiv vorhanden gewesen sein. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG kann sich ein Arbeitnehmer, wenn er einen Aufhebungsvertrag unterschreibt, auf einen wichtigen Grund berufen, wenn ihm mit einer objektiv rechtmäßigen Kündigung gedroht wurde und die Hinnahme der Kündigung nicht zumutbar ist. Das BSG prüft also die Wirksamkeit einer angedrohten, hypothetischen Kündigung.
Das LSG war davon ausgegangen, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger sich gegen die im Raum stehende Kündigung arbeitsrechtlich hätte wehren können. Vielmehr habe dem Kläger eine sozial gerechtfertigte betriebsbedingte Kündigung gedroht. Maßgeblich dafür war die Zeugenaussage der Personalleiterin des ehemaligen Arbeitgebers, wonach der Arbeitsplatz des Klägers auf Grund einer Neustrukturierung des Arbeitsprozesses wegfiel und anderweitige Einsatzmöglichkeiten im Unternehmen nicht bestanden. Das wurde auch in der Revision vom Unternehmen nicht in Frage gestellt.
Aus diesem Grund nahmen die Gerichte an, dass dem Kläger ein Abwarten der drohenden Arbeitgeberkündigung nicht zuzumuten war. Der Kläger konnte vielmehr einen wichtigen Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit Abfindungsregelung für sich reklamieren. Denn, wie das BSG bereits in seinem Urteil vom 17. November 2005 – B 11a/11 AL 69/04 R darlegte: Ein wichtiger Grund liegt keineswegs nur dann vor, wenn ein Abwarten der arbeitgeberseitigen Kündigung unzumutbar ist, weil Nachteile für das berufliche Fortkommen entstehen könnten. Dabei handelt es sich hierbei nur um einen der in Betracht zu ziehenden Gesichtspunkte. Auch weitere Umstände können zur Annahme führen, dass ein Abwarten der Arbeitgeberkündigung unzumutbar war. So soll bei einem Aufhebungsvertrag immer geprüft werden, ob „Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die mit einer Kündigung typischerweise einhergehenden Nachteile nicht eingetreten wären“. Anknüpfend hieran hat das BSG entschieden, dass das Interesse, sich durch den Aufhebungsvertrag wenigstens die dem Arbeitnehmer angebotene Abfindung zu sichern, im Rahmen der Prüfung des wichtigen Grundes als schützenswert anzusehen ist, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohnehin unvermeidbar ist.
Der vorliegende Fall, so das BSG, erfordere keine andere Bewertung. Denn der Kläger hätte sich gegen die ansonsten sicher bevorstehende und voraussichtlich rechtmäßige Arbeitgeberkündigung nicht zur Wehr setzen können.
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