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Achtung Arbeitsplatz! – Interview mit Stephen Sunderdiek

Betriebsräte Interview

Lärm, Hitze und Co: Wenn Arbeit zum Extremsport wird
„ICH KANN DAS NICHT BEI DIESEM GANZEN VERDAMMTEN LÄRM!!!!“

Der Sheriff von Nottingham In: „Robin Hood:König der Diebe“

Arbeiten unter erschwerten Bedingungen: Was tun, wenn’s heiß hergeht

Wir erinnern uns: Den Sheriff von Nottingham (Alan Rickmann) hielt der Radau vor der Türe lediglich davon ab, Lady Marian zu svergewaltigen, die er gerade gegen deren Willen heiraten wollte, während Robin Hood (Kevin Costner) versuchte, sie zu befreien. Was aber, wenn unerträgliche Arbeitsbedingungen Menschen bei ganz harmlosen, unschuldigen Tätigkeiten heimsuchen? Beim täglichen Broterwerb etwa? Dazu sprachen wir mit Rechtsanwalt Stephen Sunderdiek von SWP über extreme Arbeitsbedingungen, Gesetze, sowie die Rolle von Betriebsräten in solchen Zusammenhängen.

Hallo Herr Sunderdiek, vielen Dank dass Sie sich die Zeit für unser Gespräch genommen haben. Beginnen wir zunächst mit dem Aspekt aus unserer Einleitung – warum ist Lärm so schädlich?

Einen guten Tag auch allen Lesern. Lärm geht nicht nur auf die Nerven, er hat physische Auswirkungen. Schall ist objektiv messbar, die Messgröße ist der Schalldruckpegel in Dezibel. Mediziner berichten, dass zu viel Lärm den Hormonhaushalt des Stresshormons Kortisol stören kann, was zu Schlafstörungen, aber auch zu Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Verminderung der Magensekretbildung führen und somit Grund für Magengeschwüre sein kann. Nicht zu vergessen sind natürlich die „klassischen“ Lärmschäden wie Schwerhörigkeit und Tinnitus.

Wo liegen die erlaubten Grenzwerte?

Der Beurteilungspegel am Arbeitsplatz in Arbeitsräumen darf auch unter Berücksichtigung der von außen einwirkenden Geräusche höchstens 85 Dezibel betragen. Wenn dieser Beurteilungspegel nach der betrieblich möglichen Lärmminderung nicht einzuhalten ist, darf er bis zu 5 Dezibel überschritten werden. Die VDI Richtlinie 2058 geht von 70 Dezibel bei einfachen oder überwiegend mechanisierten Bürotätigkeiten aus, man spricht von 55 Dezibel bei überwiegend geistigen Tätigkeiten. Die DIN EN ISO 11690-1 definiert für Tätigkeiten, die eine besondere Konzentration verlangen, gar ein Limit von 45 Dezibel.

Wie viele Menschen leiden in Deutschland an berufsbedingter Schwerhörigkeit?

Lärmschwerhörigkeit ist die häufigste Berufskrankheit mit etwa 5500 Fällen im Jahr. In Deutschland sind etwa 5 Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen während der Arbeit Gehör gefährdendem Lärm von mehr als 85 Dezibel ausgesetzt. Nach der neuen EU-Richtlinie zu Lärm am Arbeitsplatz muss der Arbeitgeber ab 80 Dezibel für geeigneten Gehörschutz sorgen.

Wie steht es mit den Grenzen für extreme Temperaturen?

Da gibt es zunächst einmal Mindesttemperaturen. Bei leichter Tätigkeit im Sitzen sollte die Temperatur 20 Grad nicht unterschreiten, bei mittelschweren Tätigkeiten nicht unter 19 Grad liegen. Bei Tätigkeiten im Stehen oder Gehen sollte die Temperatur bei leichter Tätigkeit 19 Grad nicht unterschreiten, bei mittelschweren Tätigkeiten keine 17 Grad. Bei schweren Tätigkeiten darf sie nicht unter 12 Grad liegen. Was die hohen Quecksilberstände angeht: Generell soll die Lufttemperatur 26 Grad nicht überschreiten. Nur bei darüber liegender Außentemperatur darf die Lufttemperatur in Ausnahmefällen laut Arbeitsstättenrichtlinie von 2001 höher sein.

Gibt es zusätzliche Parameter, die Beachtung finden müssen?

Ja, in Waschräumen, in denen Duschen oder Badewannen installiert sind, soll die Lufttemperatur während der Nutzungsdauer etwa 24 Grad betragen. Zudem dürfen die Beschäftigten keiner vermeidbaren Zugluft ausgesetzt sein.

Was aber tun, wenn Temperaturen über 26 Grad partout nicht vermeidbar sind?

In dem Fall ist der Arbeitgeber natürlich verpflichtet, entsprechende bauliche oder technische Maßnahmen (Belüftung, Klimaanlage etc.) durchzuführen. Geht auch das nicht, etwa im Hochofen, so muss persönliche Schutzkleidung für die Arbeitnehmer vorhanden sein, auch sind Erleichterungen wie „Abschwitzpausen“ etc. denkbar.

Wenn es Probleme gibt – wie sehen die Möglichkeiten des Betriebsrats aus?

Das ist im § 91 des Betriebsverfassungsgesetzes geregelt. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht immer dann, wenn Arbeitnehmer durch Änderungen am Arbeitsplatz, die den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen, in besonderer Weise belastet werden.

Daneben kann der Betriebsrat auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG vorgehen. Danach kann er, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitbestimmen bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Unfallverhütungsvorschriften.

Der Betriebsrat soll an betrieblichen Regelungen beteiligt werden, die der Arbeitgeber zwar auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat, bei deren Umsetzung ihm aber Handlungsspielräume verbleiben. Mitzubestimmen hat der Betriebsrat bei der Ausfüllung dieses Spielraums. Dadurch soll im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer eine möglichst effiziente Umsetzung des gesetzlichen Arbeitsschutzes im Betrieb erreicht werden.

Gut und schön, aber was ist, wenn der Arbeitgeber uneinsichtig ist?

In diesem Fall kann der Betriebsrat ein Einigungsstellenverfahren erzwingen. Das Recht auf Anrufung der Einigungsstelle ist sowohl im § 87 Abs. 2 als auch in § 91 BetrVG vorgesehen.Die Einigungsstelle hat dann die Aufgabe, zwischen den Parteien zu vermitteln und eine Lösung zu suchen.

Wie kann so eine Einigung aussehen?

Gut, dass Sie fragen. Zu diesem Thema hat SWP gerade eine sehr aktuelle Betriebsvereinbarung in einem großen Telekommunikations-Unternehmen, gemeinsam mit dem Betriebsrat ausgehandelt. Diese Vereinbarung ist ein positives Beispiel für die Gestaltungsmöglichkeiten des Betriebsrates zur Milderung erschwerter Arbeitsbedingungen.

Was war denn die Ausgangslage für diese Betriebsvereinbarung?

Zunächst zeigte das Unternehmen guten Willen, indem es die Einführung „softer“ Maßnahmen in Problemzonen zugestand: Etwa Raumwechsel bei Lärm und Zugluft oder Mittel gegen Geruchsbelästigung, oder aber dass man in Zonen zu niedriger Luftfeuchtigkeit Luftbefeuchter oder Pflanzen aufstellt sowie Bereitstellung von warmen oder kalten Getränken bei extremen Temperaturen. Allerdings konnte der Arbeitgeber nur nach unserer Einschaltung bewegt werden, auch in weitere Maßnahmen einzuwilligen.

Auf welcher Grundlage wurden die Bedingungen in Büros und Laboren bewertet?

Als Grundlage nahm man anstandslos die einschlägigen Bestimmungen der jeweils gültigen Arbeitsstättenrichtlinien und –verordnungen.
Wann lag laut der Betriebsvereinbarung ein mehr als geringfügiges Überschreiten von gegebenen Grenzwerten vor?

Das ist hier klar geregelt – immer wenn es eine Abweichung vom Grundwert um mehr als 5 Prozent gab.

Was wurde denn alles geregelt, was Sie für wichtig halten?

Natürlich waren Temperaturen ein Thema, auch den Lärm hat man nicht vergessen. Sehr positiv ist zudem, dass auch der Flächenbedarf für Bildschirmarbeitsplätze festgeschrieben wurde. Bei weniger als 8 m² je Arbeitsplatz muss laut Betriebsvereinbarung nachgebessert werden. Außerdem geht das Papier auf weitere Belastungen wie Luftfeuchtigkeit, Zugluft und mangelnde Befeuchtung sowie Maßnahmen gegen Geruchsbelästigung ein. Zudem genügt laut Betriebsvereinbarung zur Anzeige eines Problems eine einfache E-Mail an die entsprechende Stelle. Der Fall einer Einigungsstelle ist auch ausdrücklich vorgesehen.

Inwiefern?

Wenn ein Problem beigelegt werden muss, bilden der Betriebsrat und die Unternehmensführung einen paritätischen Ausschuss mit jeweils zwei Mitgliedern, um die Belastungssituation und ihr Ausmaß festzustellen. Nur wenn alle vier Mitglieder anwesend sind ist der Ausschuss beschlussfähig.

Also aus Ihrer Sicht ein Rundum-glücklich-Paket?

Ziemlich. Sogar Verpflichtungen des Arbeitgebers auf Verringerungen der Arbeitszeit oder Einrichtung eines Home Offices sind in der Betriebsvereinbarung geregelt, sofern der Arbeitgeber die erschwerten Arbeitsbedingungen nicht kurzfristig beseitigt.

Herr Sunderdiek, vielen Dank für das Interview.

Stephen Sunderdiek

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