„Okay, okay, ich hab Unrecht. Aber lass es mich auf meine Art machen!“
Aus: Die Farbe des Geldes mit Tom Cruise
Zugegeben: Der Urheber unseres Filmzitats hat sich natürlich schon selbst als beratungsresistent disqualifiziert. Wenn Sie nicht wollen, dass es Ihnen genauso geht, sollten Sie in punkto Arbeitsrecht unsere acht populärsten Irrtümer beachten – und nicht die gleichen Fehler machen. Falls Sie doch gegen guten Rat handeln wollen, können Sie das natürlich tun. Aber dann werden Sie eben Unrecht haben…
Irrtum Nr. 1:
Arbeitsverträge sind binnen der „üblichen“ zwei Wochen widerrufbar
Falsch! Schließen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag,ist dieser gültig. Es spielt keine Rolle, ob die Vereinbarung schriftlich oder mündlich getroffen wurde. Der Arbeitgeber ist zwar verpflichtet, mündlich getroffene Vereinbarungen spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses schriftlich zu fixieren. Das heißt aber lediglich, dass der Arbeitgeber gegen das Gesetz verstößt, falls er das nicht tut. Für den Arbeitnehmer gilt aber schlicht und ergreifend: Der Vertrag ist trotzdem wirksam. Ein „übliches“ Widerrufsrecht von Verträgen kennt das deutsche Rechtssystem gar nicht – auch wenn der Volksmund oft das Gegenteil behauptet.
Irrtum Nr. 2:
Gewerkschaftsmitglieder müssen nach Tarif bezahlt werden
Auch das stimmt nicht – ansonsten müsste ja im Arbeitsrecht der Satz aus George Orwells Farm der Tiere zur Anwendung kommen: „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher.“ Tarifverträge gelten, abgesehen vom Szenario einer „Allgemeinverbindlicherklärung“ nur, wenn sowohl Arbeitnehmer in der zuständigen Gewerkschaft als auch Arbeitgeber im zuständigen Arbeitgeberverband sind bzw. ein Haustarifvertrag abgeschlossen wurde, oder wenn ein entsprechender Passus im Arbeitsvertrag existiert. Ob jemand gewerkschaftlich organisiert ist, geht übrigens den Arbeitgeber im Vorfeld der Einstellung nichts an. In Bewerbungsgesprächen ist diese Frage sogar unzulässig, d.h. es handelt sich um einen der Fälle, in denen eine Falschantwort erlaubt ist. Eine Ausnahme hiervon besteht selbstverständlich dann, wenn die Gewerkschaft selbst der potenzielle Arbeitgeber ist, dem Sie im Vorstellungsgespräch gegenüber sitzen.
Irrtum Nr. 3:
Wer krank ist, muss sofort ein Attest vorlegen
Immer langsam mit den jungen Pferden! Richtig ist, dass die Verpflichtung besteht, eine Krankschreibung dem Arbeitgeber unverzüglich telefonisch mitzuteilen, ein Krankenschein ist allerdings erst ab dem vierten Tag vonnöten. Es sei denn, im Arbeitsvertrag steht etwas anderes. Das ist allerdings oft der Fall, wie das SWP-Team aus Erfahrung weiß: Häufig gelten hier abweichende Regelungen. Wer sich ohne Krankenschein krank melden will, sollte also unbedingt vorher einen Blick in seinen Vertrag werfen.
Übrigens muss der Chef nichts über die Erkrankung wissen, von der voraussichtlichen Dauer mal abgesehen. Einzige Ausnahme: Falls aus der Krankheit eine besondere „Sorgfaltspflicht“ resultiert, also im Betrieb Vorkehrungen getroffen werden müssten. Etwa, wenn ein Mitarbeiter sich mit Schweinegrippe infiziert hat und die Möglichkeit besteht, dass er Kollegen oder Kunden angesteckt hat.
Irrtum Nr. 4:
Urlaubszusage ist gleich Genehmigung
Wenn das mal alles so einfach wäre… Immerhin sind wir in Deutschland, und haben nicht umsonst einen Ruf als Bürokratie-Weltmeister. Fakt ist im deutschen Arbeitsrecht: Ein Anspruch auf Urlaub besteht erst, wenn Sie einen schriftlichen Urlaubsschein in Händen halten. Zwar gibt es Betriebsvereinbarungen, deren Inhalt besagt, dass Urlaub dann genehmigt ist, wenn zwei Wochen nach Einreichung nichts Gegenteiliges vom Vorgesetzten zu hören war. Das muss aber eindeutig so festgeschrieben sein! Nur dann bekommen Sie vom Arbeitgeber Storno- oder Umbuchungskosten erstattet, falls der Urlaub doch noch gestrichen wird.
Dafür muss allerdings eine betriebliche Notwendigkeit bestehen, d.h. eine Notsituation muss eintreten, in der etwa allein der fragliche Mitarbeiter, dessen Urlaub ins Wasser fiel, eine plötzlich defekte Maschine reparieren kann. Danach muss der gestrichene Urlaub allerdings so schnell wie möglich gewährt werden.
Irrtum Nr. 5:
Bei einem Betriebsübergang gem. § 613a BGB gilt für Beschäftigte eine „Schonfrist“ von einem Jahr
Das Gesetz kennt keine derartige Schonzeit, schon gar nicht von einem ganzen Jahr. Diese Jahresfrist gilt nur für Tarifrechte oder Betriebsvereinbarungen. Also etwa wenn Beschäftigte durch einen Betriebsübergang von einem tarifgebundenen zu einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber wechseln. Diese nehmen dann ihre Tarifrechte (Gehalt, Urlaub, etc.) mit. Sie dürfen dann zwölf Monate lang nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer verändert werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Arbeitnehmer ein Jahr lang völlig „immun“gegen Kündigungen sind. Schließlich gelten weiterhin die Kündigungsmöglichkeiten und -fristen, die schon vor der Übernahme bestanden. Wichtig ist aber, dass den Arbeitnehmern nicht „wegen“ des Betriebsübergangs gekündigt werden darf.
Irrtum Nr. 6:
Bei betriebsbedingter Kündigung besteht immer Anspruch auf eine Abfindung in Höhe von einem halben Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr
Das wäre schön. Das deutsche Arbeitsrecht kennt aber keinen grundsätzlichen Anspruch auf Abfindung. Arbeitnehmer erhalten eine solche Zahlung nur, wenn ein Sozialplan verhandelt wurde – oder wenn der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung eine Abfindung nach § 1a KSchG ausdrücklich anbietet. Alle anderen Fälle und insbesondere die konkrete Höhe des Abfindung ist stets Verhandlungssache.
Irrtum Nr. 7:
Wer krank ist, dem darf nicht gekündigt werden
Auch diese häufig anzutreffende Annahme ist irrig: Eine Kündigung gilt als ausgesprochen, wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass sie seinem Mitarbeiter in schriftlicher Form zugegangen ist. In postalischer Hinsicht genügt als Nachweis ein Bote, der bestätigt, die Kündigung in den Briefkasten des Betroffenen eingeworfen zu haben. Ob der Mitarbeiter zum fraglichen Zeitpunkt verreist ist oder krank im Bett liegt, ist dabei egal.
Die Bringschuld, dass die Post durchgesehen wird, liegt beim Mitarbeiter – wichtig ist das vor allem für den, der gegen seine Kündigung klagen will. Denn in dem Fall läuft die entscheidende Frist ab dem Zustellungstag der Kündigung.
Irrtum Nr. 8:
Betriebsräte sind unkündbar
Auch hierbei handelt es sich um eine „urban legend“. Betriebsräte sind zwar im Arbeitsrecht ähnlich gestellt wie Schwangere und Schwerbehinderte und damit besonders vor Kündigung geschützt. Dieser Kündigungsschutz ist allerdings nicht absolut. Einem Betriebsrat kann fristgerecht gekündigt werden, wenn seine Firma oder Abteilung schließt. In letzterem Fall eben dann, wenn sich für den fraglichen Betriebsrat keine andere Verwendung im Unternehmen findet. Außerdem kann der Arbeitgeber dem Betriebsrat fristlos kündigen, wenn es einen ausreichend gravierenden Grund gibt, etwa wenn der Mitarbeiter gestohlen hat und damit das Vertrauensverhältnis maßgeblich gestört ist.
Insbesondere im zweiten Fall muss der Arbeitgeber das Einverständnis des Betriebsratsgremiums jedoch zuvor einholen. Stimmt der Betriebsrat (also das Gremium, nicht dessen Mitglied, dem gekündigt wurde) der Kündigung nicht zu, kann der Arbeitgeber immer noch den Gang zum Arbeitsgericht bemühen und sich die Kündigung dort absegnen lassen.
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