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08/2020
Ein Rückblick auf das Jahr 2020: Was ist im Arbeitsrecht passiert?
Ein Ausblick auf das Jahr 2021: Was haben wir an Neuerungen zu erwarten?

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 Was ist im Arbeitsrecht passiert? Ein Rückblick auf das Jahr 2020

 Im Jahr 2020 gab es eine Vielzahl arbeitsgerichtlicher Entscheidungen, die für die Arbeit von Betriebsräten sowie für Arbeitnehmer/innen von erheblicher Bedeutung sind und daher in einem Jahresrückblick auf das Arbeitsrecht unbedingt Erwähnung finden. Wir stellen Ihnen unsere Hitliste der 10 wichtigsten Entscheidungen in aller Kürze vor:

BAG vom 28.07.2020 (1 ABR 45/18) – Mitbestimmung bei der Verteilung der Arbeitszeit von Leiharbeitnehmern

Die Zuordnung von neu eingestellten Leiharbeitnehmern zu festgelegten Schichten nach einer Betriebsvereinbarung unterfällt als Festlegung der konkreten Lage und der Verteilung der Arbeitszeit sowie der Pausen dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats des Entleiherbetriebs nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

BAG vom 28.07.2020 (1 ABR 18/19) – Mitbestimmungswidrige Duldung von Überstunden

Eine – das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG verletzende – Duldung von Überstunden liegt vor, wenn hinreichende Anhaltspunkte für das Fehlen gebotener Gegenmaßnahmen durch den Arbeitgeber bestehen, um seine Untätigkeit als Hinnahme werten zu können. Einzelne oder besonderen einmaligen Umständen geschuldete Überschreitungen der betriebsüblichen Arbeitszeit sprechen für sich gesehen nicht dafür, dass der Arbeitgeber diese hinnimmt. Die positive Kenntnis des Arbeitgebers von Überstundenleistungen durch Arbeitnehmer ohne Ergreifen von Gegenmaßnahmen deutet regelmäßig auf deren Duldung hin.

BAG vom 28.07.2020 (Az: 1 ABR 5/19) – Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds während einer Arbeitsunfähigkeit

Während der Dauer einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit ist ein nach § 38 Abs. 1 BetrVG freigestelltes Betriebsratsmitglied an der Wahrnehmung seines Amts verhindert.

Eine Verhinderung liegt vor, wenn ein Betriebsratsmitglied aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in der Lage ist, sein Amt auszuüben. Die Arbeitsunfähigkeit eines Betriebsratsmitglieds stellt danach nicht notwendigerweise eine Verhinderung dar. Es kann Fälle geben, in denen die Erkrankung den Arbeitnehmer zwar außerstande setzt, seine Arbeitspflichten zu erfüllen, nicht aber sein Betriebsratsamt wahrzunehmen. Anders ist dies jedoch bei einem nach § 38 Abs. 1 BetrVG freigestellten Betriebsratsmitglied. Eine in diesem Fall vom Arzt attestierte Arbeitsunfähigkeit hat zur Folge, dass das Betriebsratsmitglied stets verhindert ist, da es ihm krankheitsbedingt unmöglich ist, seine Amtspflichten auszuüben. Ob und in welchem Umfang er sich (subjektiv) zur Wahrnehmung derselben in der Lage sieht, ist unerheblich.

BAG vom 01.12.2020 (9 AZR/ 102/20) – Crowdworker können Arbeitnehmer sein

Crowdworker sind Micro-Jobber im Internet. Sie erledigen bezahlt Aufträge, die online vermittelt werden. Ansprüche auf Urlaub, Mindestlohn, Sozialversicherung usw. gab es bislang mangels Arbeitnehmerstatus nicht. Dies hat sich durch eine aufsehenerregende Entscheidung des BAG seit dem 01.12.2020 geändert.

Crowdworker können demnach durchaus Arbeitnehmer sein. Das BAG hob in einer Entscheidung vom 01.12.2020, die noch nicht im Volltext veröffentlicht ist, eine Entscheidung des LAG München aus dem Jahr 2019 auf, nach der zwischen einer Vermittlungsplattform und einem Crowdworker kein Arbeitsverhältnis begründet worden sei, weil der Vertrag keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung begründet habe.

Nach der Entscheidung des BAG ist für die Arbeitnehmereigenschaft des Crowdworkers die Organisationsstruktur des Plattformbetreibers entscheidend. Ein Anreizsystem, das den Crowdworker zu einer kontinuierlichen Annahme von Auftragen veranlasse, spreche nach Ansicht des BAG entscheidend für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses.

BAG vom 28.07.2020 (1 ABR 6/19) – Entgeltlisten, Anspruch des Betriebsrates nach dem EntgTranspG

Im Rahmen seiner Aufgabe nach § 80 Absatz 1 Nummer 2a BetrVG fördert der Betriebsrat nach § 13 Absatz 1 des Gesetzes zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern (Entgelttransparenzgesetz) die Durchsetzung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern im Betrieb. Nach § 13  Absatz 2 EntgTranspG hat der Betriebsausschuss oder ein beauftragter Ausschuss für die Erfüllung seiner Aufgaben nach Absatz 1 das Recht, die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter im Sinne des § 80 Absatz 2 Satz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes einzusehen und auszuwerten. Er kann mehrere Auskunftsverlangen bündeln und gemeinsam behandeln.

Das entgeltlistenbezogene Einsichts- und Auswertungsrecht nach § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG ist jedoch an die Zuständigkeit des Betriebsrats für die Beantwortung individueller Auskunftsverlangen nach § 10 Abs. 1 EntgTranspG gebunden. Es besteht nicht, wenn der Arbeitgeber die Erfüllung der Auskunftsverpflichtung berechtigterweise an sich gezogen hat. Dem Betriebsrat treffe dann insoweit keine Auskunftsverpflichtung mehr, so dass ihm insoweit auch kein Einsichts- und Auskunftsrecht der Bruttoentgeltlisten nach dem EntGTranspG zustehe. Das bestehende Einsichts- und Auswertungsrecht des Betriebsrates nach § 80 Absatz 2, Satz 2 BetrVG bleibe hiervon jedoch unberührt, so dass es Betriebsräten unbenommen bleibt, ihre Einsichtsrechte unabhängig vom EntGTranspG nach § 80 Absatz 2 BetrVG geltend zu machen.

BAG vom 18.03.2020 (5 AZR 36/19) – Vergütungspflichtige Arbeitszeit – Fahrtzeiten

Hat der Arbeitnehmer seine Tätigkeit außerhalb des Betriebs zu erbringen, gehört das Fahren zur auswärtigen Arbeitsstelle zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten. Ist das wirtschaftliche Ziel der Gesamttätigkeit darauf gerichtet, verschiedene Kunden aufzusuchen, gehört dazu zwingend auch die Anreise. Nicht nur die Fahrten zwischen den Kunden, auch die zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück bilden mit der übrigen Tätigkeit eine Einheit und sind insgesamt die Dienstleistung iSd. §§ 611, 611a BGB und als solche vergütungspflichtig.

BAG vom 25.02.2020 (1 ABR 38/18) – Durchführungsanspruch des Betriebsrates – Abfindungsansprüche nach Sozialplan

Begehrt ein Gesamtbetriebsrat die Feststellung, dass der Arbeitgeber eine Gesamtbetriebsvereinbarung in einer bestimmten Art und Weise anwenden solle, macht er damit einen eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Durchführungsanspruch nach § 77 Abs. 1 S 1 BetrVG geltend, für den die Antragsbefugnis gegeben ist. Unerheblich ist, dass sich der Ausgang des Verfahrens nur zugunsten einer begrenzten Anzahl von Arbeitnehmern auswirkt. Auch kommt es nicht darauf an, dass sich die vom Gesamtbetriebsrat begehrte Art und Weise der Durchführung der Gesamtbetriebsvereinbarung auf den Inhalt normativ begründeter Ansprüche von Arbeitnehmern bezieht.

BAG vom 22.01.2020 (7 AZR 222/19) – Freigestelltes Betriebsratsmitglied, Vergütung, Benachteiligungsverbot, berufliche Entwicklung

Nach § 37 Abs. 4 S 1 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass Mitglieder des Betriebsrats weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden. Die Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds darf daher während der Dauer seiner Amtszeit in Relation zu vergleichbaren Arbeitnehmern nicht zurückbleiben. Die Annahme, dass für die Bestimmung des Kreises der vergleichbaren Arbeitnehmer ausnahmsweise nicht der Zeitpunkt der Amtsübernahme, sondern der Zeitpunkt der Freistellung maßgebend sei, kann nicht damit begründet werden, dass § 37 Abs. 4 BetrVG vor allem bei freigestellten Betriebsratsmitgliedern zum Zuge komme.

78 S 2 BetrVG enthält ein an den Arbeitgeber gerichtetes allgemeines Verbot, ein Betriebsratsmitglied wegen der Amtstätigkeit in seiner beruflichen Entwicklung zu benachteiligen. Ein Betriebsratsmitglied, das nur infolge der Amtsübernahme nicht in eine Position mit höherer Vergütung aufgestiegen ist, kann daher den Arbeitgeber unmittelbar auf Zahlung der höheren Vergütung in Anspruch nehmen.

BAG vom 01.10.2020 (2 AZR 238/20) – Außerordentliche Kündigung Betriebsratsmitglied, Kündigungserklärungsfrist

Bedarf es gem. § 103 Abs. 1 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats zu einer außerordentlichen Kündigung und hat der Arbeitgeber innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 S 1 BGB beim Betriebsrat die erforderliche Zustimmung beantragt sowie bei deren ausdrücklicher oder wegen Fristablaufs zu unterstellender Verweigerung das Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung nach § 103 Abs. 2 BetrVG beim Arbeitsgericht eingeleitet, ist die Kündigung nicht wegen einer Überschreitung der Frist unwirksam, wenn das Zustimmungsersetzungsverfahren bei ihrem Ablauf noch nicht abgeschlossen ist. Die Kündigung kann vielmehr auch noch nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erfolgen, wenn sie unverzüglich nach der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über die Ersetzung der Zustimmung erklärt wird. Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 174 Abs. 5 SGB 9.

Endet der Sonderkündigungsschutz des Amtsträgers während des laufenden Zustimmungsersetzungsverfahrens, muss der Arbeitgeber die Kündigung unverzüglich aussprechen, nachdem er Kenntnis von der Beendigung des Sonderkündigungsschutzes erlangt hat.

 Arbeitsgericht Emden vom 24.09.2020 (2 Ca 144/20) – Zeiterfassung von Überstunden

Insbesondere aus § 618 Abs. 1 BGB (Pflicht zu Schutzmaßnahmen) folgt (in europarechtskonformer Auslegung) eine arbeitgeberseitige Verpflichtung zur Messung, Aufzeichnung und Kontrolle der Arbeitszeiten der Arbeitnehmer. Hilfsweise besteht eine entsprechende vertragliche Nebenpflicht jedenfalls gemäß § 241 Abs. 2 BGB (Pflichten aus dem Schuldverhältnis).

Die Vereinbarung sogenannter „Vertrauensarbeitszeit“ schließt die arbeitgeberseitige „Veranlassung“ in Form einer „Duldung“ von Überstunden nicht aus. Auch schließt sie nicht die Abgeltung von Überstunden aus. Schließlich beseitigt eine solche Vereinbarung nicht die arbeitgeberseitige Verpflichtung zur Aufzeichnung und Kontrolle der Arbeitszeiten. Eine Vereinbarung, die auf den Versuch hinausläuft, die in europarechtskonformer Auslegung des § 618 BGB hergeleitete Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erfassung und Kontrolle der Arbeitszeiten zu beseitigen, ist gemäß § 619 BGB (in Verbindung mit § 134 BGB) nichtig.

 

Was haben wir an Neuerungen zu erwarten? Ein Ausblick auf das Jahr 2021

Die folgenden Änderungen zum 01.01.2021 stehen bereits fest:

 Digitale Betriebsratsbeschlüsse sind auch in 2021 weiterhin möglich.

Der Gesetzgeber hat den hierzu geschaffenen § 129 BetrVG, der ursprünglich bis zum 31.12.2020 befristet war, bis zum 30.06.2021 verlängert. Dies hat der Bundestag am 20.11.2020 beschlossen.

Coronabedingte Verlängerung der Regelungen zur Kurzarbeit

Sowohl die erleichterten Zugangsvoraussetzungen als auch die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes hat der Gesetzgeber bis zum 31.12.2021 verlängert. Allerdings steht die Erhöhung des KUG unter der Bedingung, dass Anspruch auf KUG bereits bis zum 31.03.2021 entstanden ist.

Mindestlohn-Erhöhung

Zum 01.01.2021 steigt der Mindestlohn auf 9,50 € brutto je Stunde und erhöht sich ab dem 01.07.2021 weiter auf 9,60 € brutto.

Was in 2021 noch beschlossen werden könnte:

Gesetzliche Regelung zum Home-Office

Hier liegt inzwischen ein neuer Gesetzesentwurf vor, der jedoch keinen Anspruch des Arbeitnehmers auf Home-Office vorsieht. Stattdessen sieht der Gesetzesentwurf vor, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine gewünschte Home-Office Zeit in Textform anzeigt. Lehnt der Arbeitgeber das Ersuchen nicht innerhalb von zwei Monaten ebenfalls in Textform ab, soll der Wunsch des Arbeitnehmers für die nächsten sechs Monate als zugesagt gelten. Das Home-Office soll von jeder Seite mit einer Frist von drei Monaten beendet werden können, frühestens jedoch zum Ablauf der ersten sechs Monate. Daneben enthält der Entwurf ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates zur Einführung und näheren Ausgestaltung. Weiterhin sollen Arbeitgeber bei Arbeitnehmern, die regelmäßig im Home Office arbeiten, verpflichtet werden, die Arbeitszeit täglich zu erfassen.

Arbeitszeitrichtlinie

Auch eineinhalb Jahre nach der Entscheidung des EuGH vom 14.05.2019 (C-55/18) zur Arbeitszeiterfassung hat der Gesetzgeber keine Anstalten gemacht, eine gesetzliche Neuregelung des ArbZG in Angriff zu nehmen. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Emden vom 24.09.2020 (2 Ca 144/20) zeigt allerdings auch, dass dies gar nicht zwingend erforderlich ist.

Stephen Sunderdiek

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