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Aufhebungs­verträge bei Volkswagen – nach „Dieselskandal“ nun der „Vertragsskandal“!

Volkswagen Käfer

Ja, das waren noch Zeiten, als bei Volkswagen alles „lief“…

Mittlerweile „läuft“ es nicht mehr so rund. Befand man sich noch vor gut 10 Jahren auf dem Weg zum größten Automobilkonzern der Welt, ist der Ruf des einstigen deutschen Vorzeige­unternehmens als Premium-Hersteller durch Schmier­geldzahlungen und dem so genannten Dieselskandal mittlerweile arg ramponiert – und, da sämtliche Ursachen hausgemacht sind, wohl zu Recht.

Aufgrund schwindender Absatzzahlen und daraus folgender Umsatzeinbrüche sieht sich VW nun veranlasst, den Rotstift bei der Belegschaft anzusetzen. Die jüngsten Auseinandersetzungen mit den Betriebsräten und der IG Metall über Werkschließungen, etc. waren omnipräsent in den Medien zu verfolgen und sollen nicht Gegenstand dieses Beitrags sein.

Parallel zu den laufenden Verhandlungen mit den verschiedenen Arbeitnehmer­vertreter-Gremien hat VW damit begonnen, im großen Umfang Arbeitsplätze durch Abschluss „freiwilliger“ Aufhebungs­verträge abzubauen. Dies ist sicherlich nicht anstößig, liegt es doch an jedem betroffenen Arbeitnehmer selbst, ob er sich auf eine Beendigung seines Arbeits­verhältnisses einlassen möchte. Zudem – hierfür ist VW ja auch bekannt – lassen sich die verschiedenen Konzernunternehmen bei der Höhe der Abfindungen, die sie in Aussicht stellen, „nicht lumpen“. Wie die FAZ bereits am 15.04.2024 geschrieben hat, sind Abfindungen von einer halben Million (!) Euro keine Seltenheit. Da muss die Liebe zu VW schon wirklich groß sein, um als betroffener Arbeitnehmer am Ende „Nein“ zu sagen und den Job fortzusetzen.

Wo also liegt das Problem, könnte man meinen? Ganz einfach. Der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Gemeint sind hier die Details der Ausgestaltung der Aufhebungs­verträge, die VW nach eigener Auskunft als Muster flächendeckend verwendet und deren Ausgestaltung im Einzelfall – zumindest nach unserem Kenntnisstand – nicht verhandelbar (!) ist. Diese Aufhebungs­verträge beschreiben die verbleibenden Pflichten der scheidenden Arbeitnehmer gegenüber VW bis ins Kleinste, quasi bis zur Rückgabe eines jeden einzelnen DIN-A4 Papiers, während allgemein als selbstverständlich angesehene Rechte und Ansprüche der Arbeitnehmer in den Verträgen nicht nur nicht erwähnt, sondern gerade ausgeschlossen werden.

Wir wollen die wesentlichen „Tretminen“, die VW nach unserer eigenen Erfahrung in diese Verträge einbaut, im Folgenden darstellen:

1. Problem: Fehlende Regelungen in den Aufhebungs­verträgen

VW stellt betroffene Arbeitnehmer nicht unbedingt von der Verpflichtung zur Arbeits­erbringung frei. Dies ist als solches auch völlig legitim. Natürlich müssen Arbeitnehmer für ihre Vergütung auch eine Arbeitsleistung erbringen. Dann müssten in dem Aufhebungsverträgen jedoch auch die fortgesetzten Vergütungs­zahlungs­verpflichtungen ausdrücklich genannt werden. Dies werden sie jedoch mit keiner Silbe!

Problematisch ist dies, weil VW am Ende des Aufhebungs­vertrages folgende – für sich genommen übliche – Erledigungsklausel vereinbart:

„Mit Unterzeichnung dieses Aufhebungs­vertrags sind mit Ausnahme der sich aus diesem Aufhebungsvertrag ergebenden Ansprüche alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis oder im Zusammenhang mit dessen Beendigung sowie aus sonstigem Rechtsgrund, gleich welcher Art, abgegolten und erledigt.“

Mit dieser Klausel wird geregelt, dass außerhalb des schriftlich festgehaltenen Inhalts dieses Aufhebungs­vertrags keinerlei Ansprüche mehr bestehen. Damit sind also auch die im Vertrag nicht genannten Vergütungs­ansprüche des Arbeitnehmers erledigt, jedenfalls soweit sie den unverzichtbaren Mindestlohnbereich überschreiten. Dass dies nicht sein kann, dürfte auf der Hand liegen. Gleichwohl weigert sich VW, die Verträge entsprechend zu ergänzen.

Gleiches gilt für folgende weitere, an sich auch selbstverständliche Arbeitnehmer­ansprüche, die VW auch mit keiner Silbe in den Verträgen auflistet:

  • Nutzungs­berechtigung für den Dienstwagen bis zum Ende des Arbeits­verhältnisses
  • Anspruch auf Zeugniserteilung zum Ende des Arbeits­verhältnisses

2. Problem: Verzicht auf sämtliche Rechte aus dem Kündigungs­schutzgesetz

VW verlangt von allen betroffenen Arbeitnehmern, folgende Klausel zu akzeptieren:

„Sie bestätigen durch Ihre Unterschrift, dass Ihnen durch die einvernehmliche Beendigung des Arbeits­verhältnisses die Rechte aus dem Kündigungs­schutzgesetz verloren gehen.“

Zunächst halten wir diese Klausel für unwirksam. Sie ist gleichwohl hochgradig gefährlich. Dies gilt gerade in Fällen, in den die betroffenen Arbeitnehmer nach Abschluss des Aufhebungs­vertrages weiterarbeiten sollen. Es könnte dann eine Situation entstehen, in der sich VW zum Ausspruch einer außerordentlichen und fristlosen Kündigung berechtigt sieht. Gegen eine solche Kündigung stünde dem betroffenen Arbeitnehmer bei einem (wirksamen) Verzicht auf die Rechte aus dem Kündigungs­schutzgesetz aber keine Klagemöglichkeit zu. Es wäre ihm also genommen, die mögliche Unwirksamkeit einer solchen Kündigung gerichtlich anzugreifen.

VW könnte also unwirksam, d.h. ohne einen wichtigen Grund gem. § 626 BGB kündigen und der Betroffene kann dagegen nichts tun!

3. Problem: Gestaltung des Anspruchs auf Abfindungs­auszahlung

Aus dem gerade unter 2. beschrieben Problem folgt noch ein drittes, und zwar genau in einem Fall wie dem beschriebenen:

Denn VW regelt zur Frage der Auszahlung der Abfindung folgendes:

„Die Zahlung des Betrages erfolgt nur dann, wenn das Arbeits­verhältnis nicht vorzeitig aus anderen Gründen endet (…).“

Aha! Der Arbeitnehmer kriegt die Abfindung also nicht bei einer vorzeitigen Beendigung des Arbeits­verhältnisses „aus anderen Gründen“ – also zum Beispiel, wenn VW vor dem vereinbarten Ende wie oben dargestellt fristlos kündigt. Dann ist es dem Arbeitnehmer nicht nur versagt, gegen die Kündigung zu klagen. Er kann zudem die Abfindung nicht beanspruchen! Auch dies ist eine völlig unangemessene Risikoverteilung zu Lasten der Arbeitnehmerseite.

Fazit

Wir möchten offen und ehrlich sein: Seit über 25 Jahren sind wir als Arbeitnehmer­anwälte tätig – eine so einseitige Ausgestaltung von Aufhebungs­verträgen haben wir noch nicht erlebt. Von einem Konzern wie VW – immerhin einer der größten Arbeitgeber in Deutschland – darf mehr Ausgewogenheit erwartet werden, zumal sich VW auf kollektiv-arbeitsrechtlicher Ebene ja gerne damit rühmt, Mitbestimmungs­rechte der Betriebsräte und Gewerkschaften hochzuhalten. Was „im Großen“ gilt, soll aber wohl „im Kleinen“ nicht gelten.

Will VW nach all den selbst verursachten Skandalen zukünftig Imageschäden vermeiden und weiterhin als seriöse Arbeitgeberin wahrgenommen werden, gehen derartige Vertragswerke gar nicht! Es reicht eben nicht, mit hohen Abfindungs­beträgen „um sich zu werfen“, wenn die restliche Ausgestaltung von Verträgen derart einseitig und damit nach unserem Dafürhalten unfair ausfällt. Denn was nützen den betroffenen Arbeitnehmern Verträge über hohe Summen, wenn deren Durchsetzbarkeit in der Schwebe steht bzw. im Ergebnis vom Goodwill von VW abhängt? Durch das selbst gewählte Prozedere dürfte jedenfalls der einstmals gute Ruf des einstigen deutschen Vorzeige­konzerns weiter leiden.

Zur Wahrheit gehört abschließend aber auch, dass uns bislang kein Fall bekannt ist, in dem VW seine „Trümpfe“ aus den Aufhebungs­verträgen tatsächlich ausgespielt und Zahlungen unterlassen hat.