Entgeltzahlungen an BetriebsräteEine Gratwanderung zwischen finanzieller Benachteiligung und Begünstigung
Die Zeiten werden rauer. Das bekommen auch Betriebsräte zu spüren, wenn es um die Zulässigkeit von Entgeltzahlungen an Arbeitnehmervertreter durch den Arbeitgeber geht.
Seit der Einleitung von Strafverfahren gegen VW Manager wegen Verdachts der Untreue aufgrund überhöhter Gehaltszahlungen des Konzerns an dessen Arbeitnehmervertreter und hierauf erfolgter Herabvergütungen von Betriebsräten ist die Problematik der rechtlich zutreffenden Vergütungshöhe bzw. Eingruppierung von Betriebsräten vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt.
Viele Arbeitgeber haben mit einer (erstmaligen oder erneuten rechtlichen) Überprüfung der bisher an ihre Arbeitnehmervertreter gezahlten Gehälter und zum Teil auch mit Gehaltskürzungen und sogar mit der Rückforderung von bereits in der Vergangenheit gezahlten, angeblich überhöhten Gehältern gegenüber ihren Arbeitnehmervertretern reagiert. Hierbei sind Arbeitgeber, wie Entscheidungen der Arbeitsgerichte belegen, offensichtlich über das Ziel hinausgeschossen und haben in unzulässiger Weise Arbeitnehmervertreter herabgruppiert bzw. bereits an diese in der Vergangenheit gezahlte Entgelte zu Unrecht von ihnen zurückgefordert.
Worum geht es in derartigen Fällen konkret?
In vielen Rechtsstreitigkeiten geht es im Wesentlichen darum, ob ein Arbeitgeber ein Betriebsratsmitglied in gesetzlich zulässiger Weise, also weder zu niedrig noch zu hoch, vergütet bzw. in der Vergangenheit vergütet hat oder aber um eine vom Arbeitnehmervertreter für die Zukunft begehrte Höherstufung seines Entgeltes sowie um die Rechtmäßigkeit einer vom Arbeitgeber veranlassten Herabstufung der Vergütung des Betriebsrates.
Der Gesetzgeber hat bei der Ermittlung der zutreffenden Vergütungshöhe eines Betriebsratsmitgliedes durch den Arbeitgeber Rahmenbedingungen geschaffen, die die Rechtsprechung in einigen Entscheidungen konkretisiert hat.
Bestimmung der richtigen Entgelthöhe nach § 37 Abs. 4 BetrVG
Danach darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrates gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.
Die Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds darf während der Dauer seiner Amtszeit in Relation zu derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer nicht zurückbleiben (LAG Niedersachsen vom 08.02.2204, 6 Sa 559/23; BAG vom 22.01.2020, 7 AZR 222/19, Rn. 20).
Dabei ist nicht auf die hypothetische Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitgliedes selbst abzustellen, sondern auf die Gehaltsentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer (vgl. BAG vom 19.01.2005, 7 AZR 208/04, Rn. 16). Vergleichbar im Sinne von § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG sind Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im wesentlich gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie der Amtsträger und in gleicher Weise wie dieser fachlich sowie persönlich qualifiziert waren (BAG vom 22 01.2020, 7 AZR 222/90, Rn. 21). Üblich ist eine Entwicklung, die vergleichbare Arbeitnehmer bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen haben. Die Üblichkeit entsteht aufgrund gleichförmigen Verhaltens des Arbeitgebers und einer von ihm aufgestellten Regel. Dabei muss der Geschehensablauf so typisch sein, dass aufgrund der Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten zumindest in der überwiegenden Anzahl der vergleichbaren Fälle mit der jeweiligen Entwicklung gerechnet werden kann.
Da § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG konkretisiert, darf die Anwendung der Vorschrift nicht zu einer Begünstigung des Betriebsratsmitgliedes gegenüber anderen Arbeitnehmern führen. Deshalb ist die Übertragung höherwertiger Tätigkeit nur dann betriebsüblich, wenn diese dem Betriebsratsmitglied nach den betrieblichen Gepflogenheiten hätte übertragen werden müssen oder die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer einen solchen Aufstieg erreicht hat.
§ 37 Abs. 4 BetrVG stellt keine abschließende Regelung über die Höhe des Arbeitsentgelts eines Betriebsratsmitgliedes dar. Die Vorschrift soll allein die Durchsetzung des Benachteiligungsverbotes durch einfach nachzuweisende Anspruchsvoraussetzungen erleichtern.
Bestimmung der richtigen Entgelthöhe nach §§ 611a Abs. 2 BGB, 78 Satz 2 BetrVG
Neben der Regelung in § 37 Abs. 4 BetrVG kann sich ein unmittelbarer Anspruch eines Betriebsratsmitgliedes auf eine bestimmte Vergütung aus § 611 a Abs. 2 BGB i. V. m. § 78 Satz 2 BetrVG ergeben, wenn sich die Zahlung einer geringeren Vergütung als Benachteiligung des Betriebsratsmitgliedes wegen seiner Betriebsratstätigkeit darstellt.
Die Vorschrift enthält ein an den Arbeitgeber gerichtetes allgemeines Verbot, ein Betriebsratsmitglied wegen der Amtstätigkeit in seiner beruflichen Entwicklung zu benachteiligen. Der Arbeitgeber muss den Betriebsratsmitgliedern eine berufliche Entwicklung gewährleisten, die derjenigen entspricht, die sie ohne ihre Amtstätigkeit durchlaufen hätten. Dabei erfasst das Benachteiligungsverbot nicht nur die berufliche Tätigkeit, sondern auch das sich aus ihr ergebende Entgelt.
Ein Betriebsratsmitglied, das nur wegen der Amtsübernahme nicht in eine Position mit höherer Vergütung aufgestiegen ist, kann daher den Arbeitgeber unmittelbar auf Zahlung der höheren Vergütung in Anspruch nehmen (vgl. BAG, 20.01.2021, 7 AZR 52/20, Rn. 23; BAG 22.01.2020, 7 AZR 222/19, Rn. 29).
Welche Partei trägt für welche Ansprüche vor Gericht die Darlegungslast?
Ob dem Betriebsratsmitglied oder den Arbeitgeber die Darlegungslast für die zutreffende Vergütungshöhe trifft, hängt davon ab, welche Ansprüche geltend gemacht werden.
Betriebsratsmitglied beansprucht eine höhere Vergütung vom Arbeitgeber
Hier obliegt dem Betriebsratsmitglied nach der Rechtsprechung die Darlegungslast. Er hat zur Erfüllung seiner Darlegungslast folgende Möglichkeiten:
Er kann vortragen, dass seine Bewerbung auf eine bestimmte Stelle gerade wegen seiner Freistellung und/oder seiner Betriebsratstätigkeit erfolglos geblieben ist (BAG vom 04.11.2015, 7 AZR 972/13, Rn. 31; 27.06.2001, 7 AZR 496/99).
Hat sich ein freigestelltes Betriebsratsmitglied auf eine bestimmte Stelle tatsächlich nicht beworben, kann und muss er zur Begründung des fiktiven Beförderungsanspruchs darlegen, dass er die Bewerbung gerade wegen seiner Freistellung unterlassen hat und eine Bewerbung ohne die Freistellung erfolgreich gewesen wäre. Aber auch wenn eine tatsächliche oder eine fiktive Bewerbung danach keinen Erfolg gehabt hätte oder hätte haben müssen, steht dies einem Anspruch nicht zwingend entgegen. Scheitert nämlich eine tatsächliche oder eine fiktive Bewerbung des freigestellten Betriebsratsmitgliedes an fehlenden aktuellen Fachkenntnissen oder daran, dass der Arbeitgeber sich zur Beurteilung der fachlichen und beruflichen Qualifikation infolge der Freistellung außerstande gesehen hat, so ist zwar die Entscheidung des Arbeitgebers für den als qualifizierter erachteten Bewerber nicht zu beanstanden. Gleichwohl kann in einem solchen Fall ein fiktiver Beförderungsanspruch des Amtsträgers bestehen, wenn das Fehlen von feststellbarem aktuellen Fachwissen gerade aufgrund der Freistellung eingetreten ist (vgl. BAG 4. November 2015 – 7 AZR 972/13 – Rn. 31; 14. Juli 2010 – 7 AZR 359/09 – Rn. 20 m.w.N).
Arbeitgeber macht Rückzahlungsansprüche wegen überhöhter Vergütung geltend
Macht der Arbeitgeber aus dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes jedoch Rückzahlungsansprüche von in der Vergangenheit bereits geleisteten, angeblich überhöhten Vergütungen gegenüber dem Betriebsratsmitglied geltend, trägt der Arbeitgeber laut einer jüngst von unserer Kanzlei zu Gunsten eines Betriebsrates erstrittenen Entscheidung des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 24.04.2024 (Az: 8 Ca 6052/23) die Darlegungslast.
Danach hat der Arbeitgeber darzulegen und ggf. zu beweisen, dass das Betriebsratsmitglied eine arbeitsvertragliche (Neben-)Pflicht schuldhaft verletzt und diese somit zu vertreten hat.
Zudem, so das Arbeitsgericht Düsseldorf, habe ein Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob ein etwaiger Schadenersatzanspruch des Arbeitgebers durch sein etwaiges Mitverschulden gemindert oder sogar gänzlich gegenüber einem Betriebsratsmitglied ausgeschlossen sei.
Fazit
In den Fällen, in denen ein Betriebsrat eine höhere Bezahlung vom Arbeitgeber verlangt, muss das Betriebsratsmitglied darlegen und ggf. beweisen, dass die Voraussetzungen für eine höhere Bezahlung nach § 37 Abs. 4 BetrVG oder aber nach §§ 611a Abs. 2, 78 Satz 2 BetrVG vorliegen.
In den Fällen, in denen der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsratsmitglied in der Vergangenheit bereits gezahlte Vergütungen nunmehr wegen angeblicher Überzahlung im Wege des Schadenersatzes zurückfordert und ggf. sogar darüber hinaus noch das Betriebsratsmitglied unter Berücksichtigung dessen herabgruppiert, muss der Arbeitgeber für eine erfolgreiche Durchsetzung seiner Schadenersatzansprüche nicht nur darlegen und ggf. beweisen, dass die bisher gezahlten Vergütungen tatsächlich überhöht waren, sondern darüber hinaus auch, dass das Betriebsratsmitglied diese überhöhten Vergütungen des Arbeitgebers an ihn auch schuldhaft zu vertreten hat.
Je nach Ausgang eines solchen Rechtsstreits hat der Arbeitgeber das Betriebsratsmitglied ggf. entweder rechtswidrig im Sinne von § 78 Satz 2 BetrVG benachteiligt oder rechtswidrig begünstigt. Ein wahrhaft schmaler Grat, auf dem sich die Betriebsparteien bewegen müssen.