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Eine Rahmen-BV über IT-Systeme... als Antwort auf die Flut an neuer Software?

An der Frage, ob Rahmenbetriebs­vereinbarungen wünschenswert sind oder nicht, entzünden sich immer wieder Diskussionen. Es gibt viele gute Gründe, die es sinnvoll erscheinen lassen, solch eine Rahmenbetriebsvereinbarung abzuschließen. Aber man kann in solch einer Rahmenbetriebs­vereinbarung auch grobe Fehler machen, die dem Betriebsrat die Arbeit – also vor allem seine Mitbestimmung – erheblich erschweren.

I. Die Rechtslage

Die Rechtsprechung vertritt die Auffassung, dass eine Rahmenbetriebsvereinbarung über IT-Systeme (auch Informations- und Kommunikationssysteme, kurz: „IuK“ genannt) nicht Gegenstand zwingender Mitbestimmung ist. Dies wird so begründet, dass Gegenstand der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG jeweils eine konkret vorhandene technische Einrichtung ist. Allgemeingültige, abstrakte Regelungen über eine Vielzahl von (nicht näher benannten) technischen Einrichtungen seien nicht erfasst.

Man kann über diesen Grundsatz streiten, denn in anderen Zusammenhängen lässt die Rechtsprechung ja durchaus allgemeine „Rahmen“-Regelungen zu, z. B. bei Arbeitszeiten. Auch § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG meinen ja die „konkreten“ Arbeitszeiten bzw. „tatsächliche“ Mehr- oder Minderarbeit als Gegenstände der Mitbestimmung. Dort ist es aber gang und gäbe und von der Rechtsprechung auch weithin als zulässiges Ergebnis von Einigungsstellensprüchen anerkannt, allgemeine, abstrakte Regelungen für die Vergabe von Diensten oder Mehrarbeit zu treffen und nicht über jede einzelne Überstunde separat mitzubestimmen. Warum das bei IT-Systemen anders sein soll, erschließt sich auf den ersten Blick nicht.

Gleichwohl werden in der Praxis häufig Rahmenbetriebsvereinbarungen über IT-Systeme abgeschlossen. Verfahren vor der Einigungsstelle hierüber setzen unter Berücksichtigung der oben genannten Rechtsprechung stets voraus, dass sich beide Parteien dem Spruch der Einigungsstelle freiwillig unterwerfen.

II. Vorteile einer Rahmen­betriebs­vereinbarung

Warum können Rahmenbetriebs­vereinbarungen sinnvoll sein?

Als der Gesetzgeber 1972 den Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 6 ins BetrVG aufgenommen hat, war nicht absehbar, welche Auswirkungen dieser Mitbestimmungstatbestand in der betrieblichen Praxis haben würde. Damals gab es in den meisten Betrieben höchstens mal eine Handvoll von technischen Einrichtungen (z.B.: Telefonanlagen, Kameras), die diesen Mitbestimmungstatbestand erfüllten.

Das hat sich im Laufe der Jahre, angetrieben durch die zunehmende Digitalisierung drastisch geändert. In den meisten Betrieben gibt es inzwischen mehrere Hundert Softwareprogramme, die jeweils der Mitbestimmung aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterliegen, in aller Regel nur in einem ganz geringen Umfang in einer Betriebsvereinbarung geregelt sind.

Da nach der Rechtsprechung bereits eine einzelne Excel-Tabelle hierunter fallen kann, wird schnell klar, welche Flut an IT-Systemen hier jeweils einer eigenen Ausübung dieses Mitbestimmungsrecht bedarf.

Wir haben in der Beratung von Betriebsräten zu diesem Thema immer wieder die Erfahrung gemacht, dass weder Arbeitgeber noch Betriebsräte überhaupt wissen, wie viele und welche IT-Systeme inzwischen in ihren Betrieben laufen. Dies gilt es zu klären. In einigen Mandaten, in denen wir Betriebsräte zu einer Rahmen-BV über IT-Systeme beraten haben, waren es mehrere Hundert Softwareprogramme, in einem Fall sogar an die tausend IT-Systeme, wovon ca. 20 in separaten Betriebsvereinbarungen geregelt waren.

In der Praxis ist es jedoch einfach nicht möglich, für viele Hundert verschiedene technische Einrichtungen gesonderte Betriebsvereinbarungen zu vereinbaren.

Hinzu kommt, dass dies völlig unwirtschaftlich ist, weil es immer Regelungen geben wird, die für alle IT-Systeme gleich sein können. Da ist eine Rahmenbetriebsvereinbarung, die zumindest das regelt, was in allen Fällen ohnehin gleich gehandhabt werden soll, einfach effizienter, Zeit sparender und deutlich kostengünstiger.

III. Risiken einer Rahmen­betriebs­vereinbarung

Wenn eine Rahmenbetriebs­vereinbarung aus Sicht des Betriebsrats ungeschickt aufgebaut ist und die Einführung von IT-Systemen weitgehend dem Arbeitgeber überlässt, kann die Gefahr entstehen, dass der Betriebsrat auf seine entsprechenden Mitbestimmungsrechte viel zu weitgehend im Verhältnis zu einer nicht absehbaren Vielzahl von neuen IT-Systemen verzichtet.

Das wäre z. B. dann der Fall, wenn in der Rahmen­betriebs­vereinbarung steht, dass sämtliche IT-Systeme vom Geltungsbereich erfasst werden und die Einführung eines IT-Systems nur einer vorherigen Information gegenüber dem Betriebsrat bedarf, dass das System nach der Betriebsvereinbarung genutzt werden soll.

Im äußersten Fall könnte eine Rahmen­betriebs­vereinbarung entstehen, in der der Betriebsrat noch nicht einmal erfährt, welche IT-Systeme in Betrieb sind, so dass er gar nicht prüfen kann, ob und welche Systeme möglicherweise entgegen der Bestimmungen der Rahmen­betriebs­vereinbarung genutzt werden. Eine solche Regelung wäre klar betriebs­verfassungswidrig, weil sie einen unzulässigen Verzicht auf zwingende Mitbestimmungsrechte beinhalten würde.

IV. Sinnvoller Inhalt einer Rahmen­betriebs­vereinbarung

Eine Rahmenbetriebsvereinbarung kann keine konkreten Regelungen enthalten zu einem einzelnen IT-System. Sämtliche konkreten Regelungen, die sich nur auf das einzelne IT-System beziehen, sollten in gesonderten Anlagen zur Rahmenbetriebsvereinbarung geregelt werden, wie z. B.

  • Beschreibung des IT-Systems
  • Zweck des IT-Systems
  • Ev. Testphase
  • Umfang der Erfassung und Verwertung von Leistungs- und Verhaltensdaten
  • Berechtigungskonzept
  • Löschungskonzept

In einer Rahmenbetriebsvereinbarung wird man demgegenüber normative Regelungen treffen können. Insbesondere macht es Sinn, Regelungen zum Prozess zu vereinbaren, wann, wie und mit welchen Details der Betriebsrat über die geplante Neueinführung oder Änderungen von mitbestimmungspflichtigen, technischen Einrichtungen informiert wird und unter welchen Voraussetzungen dann das IT-System eingeführt werden darf. Wenn man hier einen sinnvollen Prozess vereinbart, kann dies die betriebsverfassungsgemäße Einführung eines IT-Systems erheblich vereinfachen und beschleunigen. Im besten Fall muss nur noch der Inhalt eines Formulars ausgehandelt und als Anlage zur Rahmenbetriebsvereinbarung vereinbart werden.

Sinnvoll ist insbesondere auch die Vereinbarung eines allgemeinen Verfahrens zu bereits vorhandenen IT-Systemen, deren Betrieb der Betriebsrat bislang noch nicht zugestimmt hat.

Des Weiteren ist es sinnvoll, allgemein Regelungen zu vereinbaren, die für alle IT-Systeme einheitlich regeln, ob und ggf. in welchem Umfang Verhaltens- oder Leistungskontrollen (ggf. auch Stichproben) erlaubt sind. Dort sollte dann auch ein (Beweis-) Verwertungsverbot für unzulässig erlangte Verhaltens- oder Leistungsdaten enthalten sein.

Es kann zudem sinnvoll sein, die möglichen IT-Systeme in mehrere Kategorien zu unterteilen und für diese verschiedenen Kategorien dann auch verschiedene Regelungen in die Rahmenbetriebsvereinbarung aufzunehmen.

Wenn ein IT-System z. B. gerade deswegen eingeführt wird, um Mitarbeiter zu kontrollieren, müssen konkrete Regelungen zum zulässigen Umfang von Stichproben in die Anlage zu diesem IT-System aufgenommen werden.

Wenn die Kontrolle von Mitarbeitern nicht der Zweck eines IT-Systems sein soll, muss eine solche Kontrolle auch ausgeschlossen oder auf besonders enge Ausnahmefälle (Straftaten usw.) beschränkt werden.

Fazit

Es lohnt sich, in die Entwicklung und Verhandlung einer IT-Rahmenbetriebs­vereinbarung Zeit und Arbeit zu investieren und dort mehr hineinzupacken als die „Standard-Muster“ vorsehen. Eine Rahmen­betriebs­vereinbarung IT kann für beide Betriebsparteien den „gordischen Knoten“ der Flut an neuen IT-Systemen betriebs­verfassungs­rechtlich zerschlagen und erheblich zum Betriebsfrieden beitragen. So kann sie das Leben der Betriebe bei fortlaufender Digitalisierung spürbar erleichtern.

Dies können wir aus unserer anwaltlichen Praxis bestätigen.

In den Mandaten, in denen wir Betriebsräte zu einer Rahmen­betriebs­vereinbarung IT beraten, haben uns beide Betriebsparteien im Nachgang regelmäßig über die damit verbundenen erheblichen Erleichterungen für die betriebliche Praxis berichtet. Diese positive Resonanz spornt uns an, Betriebsräte und Arbeitgeber nunmehr auf breiter Ebene über die Vorteile einer solchen Rahmen­betriebs­vereinbarung IT zu informieren und zu sensibilisieren.