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Die „Sabbatical“-Betriebs­vereinbarung für längere bezahlte AuszeitenIch bin dann mal weg

Einerseits eine immer höhere Arbeitsbelastung und andererseits der zunehmende Fachkräftemangel – Arbeitgeber müssen etwas tun, wenn sie Mitarbeitende an sich binden, sie besonders motivieren und darüber hinaus neue qualifizierte Mitarbeitende gewinnen wollen.

Steigt die Arbeitsbelastung ständig durch Überstunden und immer mehr Stress im Job, hilft es irgendwann nicht mehr, dass man hierfür einen finanziellen Ausgleich bekommt. Die Mitarbeitenden wollen immer häufiger keinen finanziellen Ausgleich für ihre hohe Arbeitsbelastung, sondern Freizeit als Ausgleich, um sich von dem Stress erholen zu können.

Flexible als auch familienfreundliche Arbeitszeiten werden immer wichtiger. Mitarbeitende, die den zeitlichen, örtlichen und tätigkeitsbezogenen Flexibilisierungswünschen von Arbeitgebern nachkommen, die Überstunden und eigenverantwortlich veranlasste Mehrarbeit leisten, erwarten von ihren Arbeitgebern im Gegenzug optimalere Gestaltungs­möglichkeiten von Arbeitszeiten und Privatleben.

Die Sabbatical-Betriebs­vereinbarung für längere bezahlte Auszeiten kann eine Lösung für dieses Problem sein. Durch sie kann der Betriebsrat für die Mitarbeitenden das Recht auf eine längere bezahlte Freistellung von der Arbeit während oder am Ende des Arbeitslebens bei vollem Schutz in der gesetzlichen Sozialversicherung und bei gleichzeitiger Arbeitsplatzgarantie für unterschiedliche Zwecke der Freistellung schaffen.

„Normale“ Arbeits­zeitkonten

Rechtlich eignen sich hierfür herkömmliche Arbeits­zeitkonten nur für kürzere Zeiträume der Freistellung. Erfolgt nämlich eine längere Freistellung durch die Inan­spruch­nahme von angespartem Arbeits­zeitguthaben aus einer Arbeits­zeit­regelung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder zum Ausgleich von betrieblicher Produktions- oder Arbeitszyklen (z. B. Gleitzeitguthaben), endet das sozial­versicherungs­pflichtige Beschäftigungs­verhältnis nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV spätestens 3 Monate nach dem Beginn der Freistellung.

Spezielle Wertgut­haben­konten für unter­schiedliche bezahlte Freistellungs­zwecke

Ein über drei Monate der Freistellung hinausgehender Fortbestand des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ist nur möglich über die Einrichtung eines Langzeitkontos zum Aufbau von Wertguthaben. Wertguthaben sind eine Form von Arbeitszeitkonten, die auf eine längerfristige Freistellung von der Arbeitsleistung zielen. Die Leitidee von Wertguthaben ist, dass die Beschäftigten einen Teil ihrer Arbeitszeit und/oder ihres Arbeitsentgelts in Euro längerfristig ansparen können. Von diesem angesparten finanziellen Guthaben sollen sie zu einem späteren Zeitpunkt eine finanziell abgepufferte und sozialversicherungsrechtlich geschützte Auszeit von ihrer beruflichen Tätigkeit bei ihren Arbeitgebern nehmen können, etwa für die Kindererziehung, die Pflege Angehöriger, für ein längeres Sabbatical, für Weiterbildung, für eine Arbeits­zeit­reduzierung im Alter oder für einen vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand. Der Sozial­versicherungs­schutz bleibt während der Freistellungs­phase erhalten.

Der Aufbau dieser Wertguthaben ermöglicht es den Beschäftigten, den Zeitpunkt der Vergütung geleisteter Arbeit nach dem Prinzip der Entgeltumwandlung zu verschieben, d. h. Wertguthaben werden als Arbeitgeberbruttobeträge gutgeschrieben und unterliegen erst bei einer späteren bezahlten Freistellung dem Lohnsteuerabzug und der Beitragspflicht der Sozial­versicherungs­träger. Wertguthaben auf einem Langzeitkonto verschaffen den Mitarbeitenden mehr Freiheit und Flexibilität bei ihrer Lebensplanung. Arbeitgeber, die nicht nur zeitliche Flexibilität von ihren Arbeitnehmern einfordern, sondern gleichzeitig auch entsprechende Freiräume bieten, werden als attraktiv wahrgenommen. Dies erhöht wiederum die Erfolgs­aussichten bei der Suche nach neuen qualifizierten Beschäftigten.

Die „reine“ Einführung und Ausgestaltung von Langzeitkonten zum Aufbau von Wertguthaben im Rahmen einer Betriebs­vereinbarung ist nicht zwingend mit­bestimmungs­pflichtig, sondern eine freiwillige (aber sehr sinnvolle) Angelegenheit nach § 88 BetrVG.

Bei der Einführung von Langzeitkonten zum Aufbau von Wertguthaben sind die Vorgaben in §§ 7 ff. SGB IV zu beachten. Soweit ein maßgeblicher Tarifvertrag keine Regelungen zu Langzeitkonten enthält, sind die Betriebsparteien bei der Einführung von Langzeitkonten in der Gestaltung frei.

Grundsätzlich sind Langzeitkonten für Unternehmen – unabhängig von der Tätigkeitsbranche bzw. dem Industriezweig – erst ab einer bestimmten Mindestgröße geeignet. Nach den Erfahrungen aus unserer Beratungspraxis zu derartigen Betriebsvereinbarungen kann dies bei einer Unternehmensgröße von wenigen hundert Mitarbeitenden bereits der Fall sein.

Fazit

Eine „Sabbatical“-Betriebsvereinbarung mit Einführung von Langzeitkonten zum Aufbau von Wertguthaben für eine spätere langfristige, bezahlte Freistellung unter Aufrechterhaltung des vollen Sozial­versicherungs­schutzes hat für Arbeitgeber und Mitarbeitende wesentliche Vorteile, die Kurzzeit-, Gleitzeit- und Jahresarbeits­zeitkonten nicht bieten können.

Langzeitkonten sind ein her­vorragendes Instrument zur Flexibilisierung von Arbeit, zur Mitarbeiter­motivation und -bindung sowie zur Gewinnung von neuen Mitarbeitenden. Betriebsräte größerer Betriebe sollten daher ihren Arbeitgebern den Abschluss einer solchen Betriebsvereinbarung vorschlagen. Denn auch Arbeitgeber profitieren hiervon.

Wir haben bereits umfassende passgenaue Betriebsvereinbarungen zur Einführung von Langzeitkonten für unsere Mandanten entwickelt und beraten interessierte Betriebsräte hierzu gerne.