Gewerkschaften suchen häufig nach Möglichkeiten, ihren Mitgliedern in einem Tarifvertrag besondere Leistungen zukommen zu lassen – Nichtmitgliedern dann eben aber nicht.
Dafür greifen sie auf Klauseln zu, die aber mit der sog. negativen Koalitionsfreiheit in Konflikt geraten können. Die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst auch das Recht des Einzelnen, einer Koalition (hier: einer Gewerkschaft) fernzubleiben. Die Koalitionsfreiheit schützt u. a. davor, dass ein Nicht-Gewerkschafter oder anders aktiver genötigt wird in eine Gewerkschaft einzutreten, bzw. aus ihr auszutreten; ein bloßer Anreiz ist jedoch noch zulässig.
In der Praxis wird versucht, es wie folgt zu durchzusetzen:
Die sog. „einfache Differenzierungsklausel“
Eine Tarifregelung wird als einfache Differenzierungsklausel bezeichnet, wenn eine solche Regel einen Anspruch begründet, innerhalb des Tarifvertrages ist und die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ausdrücklich voraussetzt.
Ein Beispiel:
„Als Ersatzleistung wegen des Verzichts auf die Sonderzahlungen gemäß § 19 des Haustarifvertrages der AWO-Gruppe erhalten die ver.di-Mitglieder der AWO-Gruppe in jedem Geschäftsjahr zum 31. Juli eine Ausgleichszahlung in Höhe von 535 € brutto je Vollzeitkraft gemäß tariflicher Wochenarbeitszeit. Dies hindert dann den Arbeitgeber rechtlich nicht, freiwillig Nichtmitgliedern der tarifschließenden Gewerkschaft die Leistungen auch zuzusagen.“ (vgl. BAG, Urteil vom 18. März 2009 – 4 AZR 64/08 –, BAGE 130, 43-80)
Die einfache Differenzierungsklausel wird häufig mit einer Stichtagsregelung kombiniert, wonach die Leistung nur Mitarbeitern zustehen soll, die an einem bestimmten Stichtag Mitglied der zuständigen Gewerkschaft sind und zukünftig auch bleiben. Also verliert man in diesem Fall auch den Anspruch, wenn man zu einem späteren Zeitpunkt austritt.
Die sog. „Tarifausschlussklausel“
Die Tarifausschlussklausel will dem tarifgebundenen Arbeitgeber verbieten, die tariflich allein den Gewerkschaftsmitgliedern vorbehaltene Leistung auch an Außenseiter zu erbringen.
Der Unterschied zu den einfachen Differenzierungsklauseln besteht darin, dass sie versucht auf das Verhältnis zwischen dem tarifgebundenen Arbeitgeber und nicht angestellten Arbeitern zu nehmen – nicht-Organisierten soll ausdrücklich der besondere Anspruch vorenthalten sein.
Zum Beispiel:
„Die tariflich festgelegte Vergütung darf nur Gewerkschaftsmitgliedern gewährt werden.“
Die sog. „Spannenklausel“ bzw. „Abstandklausel“
Die Abstandsklausel lässt zwar eine Vereinbarung des Arbeitgebers mit den Außenseitern zu, begründet für diesen Fall jedoch einen zusätzlichen Anspruch für die organisierten Arbeitnehmer in Höhe der bei Tarifabschluss vorausgesetzten Differenz zwischen den Ansprüchen der nicht organisierten und denjenigen der – durch die Differenzierungsklausel zusätzlich bedachten – organisierten Arbeitnehmer.
Ein Beispiel:
„Gewährt die H die Leistung nach Ziffer I., entsprechende oder über die in Ziffer I festgelegten Ansprüche hinausgehende Beträge oder sonstige Leistungen Lohn- und Gehaltsempfängern, die nicht Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sind, so erhöht sich für die Lohn- und Gehaltsempfänger, die Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sind, die Arbeitgeberleistung entsprechend.“ (vgl. BAG, Urteil vom 23. März 2011 – 4 AZR 366/09 –, BAGE 137, 231-248)
Organisations- o. Absperrklauseln
Unter Organisations- o. Absperrklauseln versteht man tarifliche Abmachungen, durch die der Arbeitgeber verpflichtet wird, keine Außenseiter in seinem Betrieb zu beschäftigen.
Außenseiterklauseln
Unter Außenseiterklauseln versteht man herkömmlich solche, die den Arbeitgeber verpflichten, auch nicht tarifgebundene Angestellte nicht unter Tarif zu beschäftigen.
Die Außenseiterklauseln. und Tarifausschlussklauseln sind Gegensätze. Die Außenseiterklauseln. gebietet und die Tarifausschlussklausel verbietet die Gleichbehandlung von Organisierten und Nichtorganisierten. Während sich die Gewerkschaften früher für Außenseiterklauseln eingesetzt haben, fordern sie heute eher Tarifausschlussklauseln.
Das sind in erster Linie Klauseln die Gewerkschaften verwenden um ihren Mitgliedern Vorteile zu verschaffen. Aber außer einer Klausel, kommen die anderen nicht zur Anwendung, da sie vor dem BAG unzulässig sind.
Das BAG zur sogenannten „einfachen Differenzierungsklausel“
Die einfache Differenzierungsklausel ist hinsichtlich der Geltung nur für Gewerkschaftsmitglieder, zulässig und wirksam, denn sie verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
In einer solchen Regelung liegt grundsätzlich keine Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit der Nichtgewerkschaftsmitglieder. Ein tariflich geregelter Anreiz ist nämlich zulässig. Die negative Koalitionsfreiheit wäre erst dann verletzt, wenn ein nichtorganisierter Arbeitnehmer einem Zwang oder einem unzumutbaren Druck zum Beitritt ausgesetzt wird.
Wenn die einfache Differenzierungsklausel mit einer Stichtagsklausel so kombiniert wird, dass der Stichtag in der Vergangenheit liegt, entsteht auch kein unzulässiger Druck auf die Nichtgewerkschaftsmitglieder zum Beitritt, etwa wegen der Höhe der zusätzlichen Leistungen. Denn dieser Druck kann wegen der Stichtagsregelung gar nicht entstehen, weil die Möglichkeit eines späteren Beitritts, um in den Genuss der Leistungen zu gelangen, nicht besteht. Im Übrigen sind Stichtagsregelungen, soweit deren Ausgestaltung vom Zeitpunkt und Zweck her vertretbar erscheint, unproblematisch.
Auch führt die Höhe der Leistungen allein nicht zu einem unzulässigen Druck. Es muss den Tarifvertragsparteien überlassen bleiben, für Gewerkschaftsmitglieder Vorteile zu vereinbaren, weil dies dem grundrechtlich geschützten System der Tarifkoalitionen immanent ist.
Unzulässig ist es aber nach dem BAG; später eintretende Arbeitnehmer von den Ansprüchen auszuschließen und Arbeitnehmer bei einem späteren Austritt aus der Gewerkschaft von Ansprüchen auszuschließen.
Des Weiteren verstößt eine einfache Differenzierungsklausel auch nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 75 BetrVG. Hinsichtlich des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes, sprich, dass der Arbeitgeber Angestellte gleich behandeln muss, scheidet dies bereits deswegen aus, weil der Arbeitgeber insoweit nicht verpflichtet ist, die Nichtmitglieder mit den Mitgliedern einer Gewerkschaft gleich zu behandeln (vgl. z. B. BAG Urteil vom 23.03.2011 – 4 AZR 366/09 Rz. 45).
Das BAG zu Tarifausschlussklauseln, Spannenklauseln bzw. Abstandklauseln, Organisationsklauseln und Absperrklauseln
All diese Klauseln sind nach ständiger Rechtsprechung des BAG unzulässig. Das in solchen Klauseln enthaltene Verbot, entsprechende Leistungen auch freiwillig nicht oder anders organisierten Arbeitnehmern zu erbringen, übersteigt die Normsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien und verstößt gegen die negative Koalitionsfreiheit.
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