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Was macht erfolgreiche Arbeit des Betriebsrats aus?Eine gute Strategie

Die regulären Betriebsratswahlen sind seit Ende Mai 2014 in allen Betrieben abgeschlossen. Nachdem sich die neu gewählten Betriebsräte konstituiert haben, beginnt nun die schwierige Phase, in der die einzelnen gewählten Betriebsrats­mitglieder von Wahlkonkurrenten zu einem Gremium werden müssen. Dies gelingt, in dem sich der neue Betriebsrat die Frage stellt, welche Projekte er für seinen Betrieb in den nächsten vier Jahren angehen soll. Dabei hilft es, wenn der Betriebsrat zunächst seine Ziele unter Berücksichtigung seiner gesetzlichen Aufgabenstellungen sowie der besonderen Verhältnisse in seinem Betrieb definiert.

1. Bestands­aufnahme

Dafür benötigt der Betriebsrat eine Bestandsaufnahme, bei der er im Einzelnen feststellt, welche Betriebsvereinbarungen und Regelungsabsprachen mit welchen konkreten Regelungsinhalten im Betrieb gelten. Außerdem ist zu klären, ob und ggf. welche Tarifverträge für den Betrieb bereits gelten.

2. Regelungsbedarf

Als nächstes gilt es dann festzustellen, welche bisher nicht geregelten Sachverhalte bzw. Abläufe im Betrieb einer kollektiven Regelung bedürfen. Hierbei hilft dem Betriebsrat ein Blick in die verschiedenen Bereiche der erzwingbaren Mitbestimmung aus § 87 BetrVG

Dabei muss der Betriebsrat auch feststellen, welche angestrebten kollektiven Regelungen überhaupt der Mitbestimmung unterliegen, d.h. ob und in welchem Umfang Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bestehen. Kann der Betriebsrat eine kollektive Regelung einseitig, d.h. notfalls auch gegen den Willen des Arbeitgebers über eine Einigungsstelle erzwingen, oder ist er zwingend auf die Mitwirkung des Arbeitgebers angewiesen?

Diese Fragestellungen kann der Betriebsrat aber nur richtig lösen, wenn er rechtssicher weiß, ob und mit welchen rechtlichen Mitteln er seine zuvor definierten Aufgaben und Ziele durchsetzen kann. Der Betriebsrat muss also erst feststellen, ob und ggf. welches konkrete Mitbestimmungs­recht bei welcher Betriebsratstätigkeit betroffen ist. Das ist schon deshalb sehr wichtig, weil der Betriebsrat nur bei bestimmten Mitbestimmungsrechten ein Initiativrecht hat, wie etwa z. B. bei den Mitbestimmungs­rechten nach § 87 BetrVG. Hier klärt sich also, ob agiert werden kann, oder nur reagiert werden darf.

Grundsätzlich sollte es das Anliegen eines Betriebsrates sein, mit Wirkung für die Arbeitnehmer in seinem Betrieb insbesondere zu den folgenden Themenbereichen Betriebsvereinbarungen mit dem Arbeitgeber abzuschließen, falls es hierzu noch keine Betriebsvereinbarungen gibt:

  • Regelungen zur Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Lage der Pausen und zu den Voraussetzungen von Mehrarbeit (§ 87 Absatz 1 Nr. 2 und 3 BetrVG)
  • Regelungen zu allgemeinen Urlaubsgrundsätzen, des Urlaubsplans sowie zur zeitlichen Lage des Urlaubs (z.B. wann muss Urlaub angemeldet werden, welche Mitarbeiter haben in den Ferien Vorrang usw.) (§ 87 Absatz 1 Nr. 5 BetrVG)
  • Regelungen zu Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Mitarbeiter untereinander (z.B. Regelungen zum Rauchen im Betrieb, Dienstkleidung), (§ 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG)Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle objektiv geeignet sind (§ 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG)
  • Regelungen zu Entlohnungsgrundsätzen und der betrieblichen Lohngestaltung (soweit nicht bereits tarifvertraglich für den Betrieb geregelt), (§ 87 Absatz 1 Nr. 10 BetrVG)

3. Prioritätenliste

Nach der Feststellung, welche Regelungslücken bestehen, sollten diese nach dem Grad ihrer Wichtigkeit sortiert werden. Welche Sachverhalte sind aus welchen Gründen am dringendsten regelungsbedürftig? Hier hilft die Aufstellung einer rein internen „Rangliste“ von Aufgaben, welche Regelung welche Priorität bekommen soll.

Ein Klassiker, der in der Regel auf der Prioritätenliste weit oben stehen wird, ist die Betriebsvereinbarung nach § 81 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG im Zusammenhang mit Kameras, GPS und Telefonanlagen. Die zunehmende Technologisierung hat in deutschen Unternehmen auch vor den Arbeitsplätzen keinen Halt gemacht und in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass die Arbeitsleistung vieler Mitarbeiter mit den unterschiedlichsten Tätigkeiten immer leichter überwacht werden kann. Diese Entwicklung trifft die Arbeitnehmer deutscher Unternehmen branchenübergreifend.

So haben viele deutsche Versicherungen in den vergangenen Jahren die elektronische Schadenakte eingeführt. Mitarbeiter loggen sich über ihren PC ein und bearbeiten dann am PC Schadenfälle und locken sich am Ende des Arbeitstages wieder aus. Der Arbeitgeber kann durch einfache technische Mittel genau verfolgen, welche Tätigkeiten der besagte Mitarbeiter an welchem Tag in welcher Geschwindigkeit erledigt hat.

Die Gespräche von Mitarbeitern, die in einem Call-Center tätig sind, werden in der Regel aufgezeichnet. Der Arbeitgeber kann genau ersehen, wie lange ein Mitarbeiter für Telefonate benötigt, ob er „verschwätzt“, unfreundlich oder zu kurz angebunden zu den Anrufenden ist.

Ein Auslieferungsfahrer oder Außendienstmitarbeiter, ausgestattet mit Diensthandy und Navigationsgerät in seinem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Fahrzeug, kann vom Arbeitgeber jederzeit über GPS geortet werden. Mit den technischen Möglichkeiten, die GPS dem Arbeitgeber bietet, kann er jeden einzelnen Schritt des Mitarbeiters an jedem Arbeitstag verfolgen.

Dies sind nur drei von vielen weiteren Beispielen, die verdeutlichen, wie sehr die Arbeitnehmer inzwischen in der modernen Arbeitswelt überwacht werden können und werden. Dies mag dann noch einigermaßen unbedenklich sein, solange das Arbeitsverhältnis störungsfrei verläuft. Sobald dies aber nicht mehr der Fall ist, können diese ausufernden technischen Möglichkeiten des Arbeitgebers, seine Mitarbeiter zu kontrollieren, ganz schnell zum Bumerang werden. Nicht selten enden dann solche Arbeitsverhältnisse in einer fristlosen Kündigung, weil ein Mitarbeiter beispielsweise auf seiner Auslieferungsfahrt außerhalb seiner Pause einen kleinen Abstecher von 10 Minuten zu MacDonalds gemacht und dies nicht angegeben hat. Nur durch eine Betriebsvereinbarung besteht in solchen Fällen die Möglichkeit, technische Überwachungsmöglichkeiten auf die wenigen Ausnahmesituationen zu beschränken, in denen eine Überwachung von Arbeitnehmern sinnvoll ist.

All dies zeigt deutlich, dass hier ein zwingender Regelungsbedarf besteht, um die Möglichkeiten des Arbeitgebers, seine Mitarbeiter mit technischen Hilfsmitteln zu überwachen, nicht ins Uferlose abdriften zu lassen.

4. Umsetzung der Strategie

Eine erfolgreiche Strategie setzt zudem voraus, dass sich der Betriebsrat einig ist, welche Ziele er mit welchen Mitteln erreichen will. Der Betriebsrat muss sich vorher im Klaren sein, wie weit er seine rechtlichen Mittel ausschöpfen will, wenn der Arbeitgeber nicht mitspielt.

Ist er bereit, notfalls auch gegen den Widerstand des Arbeitgebers rechtliche Möglichkeiten durchzusetzen? Wie wichtig ist die Durchsetzung seiner Rechte für den Betriebsrat und für das Zusammenleben im Betrieb? Sollen mit der angestrebten Regelung Arbeitsbedingungen geregelt werden, die grundlegend für die Mitarbeiter im Betrieb sind, oder geht es „nur“ um mehr Rechtssicherheit und Rechtsklarheit? Oder handelt es sich eher um einen Sachverhalt von untergeordneter Bedeutung, der eine Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber gar nicht lohnt?

Checkliste

I. Bestandsaufnahme aller im Betrieb vorhandenen kollektiven Regelungen (Betriebsvereinbarungen, Regelungsabreden sowie Tarifverträge) unter Berücksichtigung der im Betrieb verwendeten Arbeitsvertragsmuster

II. Feststellung von Regelungslücken im Betrieb

1. Welche Sachverhalte sind bislang nicht geregelt?

2. Aus welchen Gründen sind diese Sachverhalte kollektiv regelungsbedürftig (angestrebter Zweck der kollektiven Regelung)?

3. Welche Sachverhalte sollen in welcher Priorität geregelt werden?

III. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bzgl. der angestrebten kollektiven Regelung

1. Unterliegt die angestrebte kollektive Regelung der Mitbestimmung?

2. Welches Mitbestimmungsrecht ist konkret betroffen?

3. Kann der Betriebsrat seine Rechte einseitig, also notfalls auch gegen den Willen des Arbeitgebers über eine Einigungsstelle, erzwingen oder handelt es sich um freiwillige Regelungen, bei denen der Betriebsrat auf ein einvernehmliches Mitwirken des Arbeitgebers angewiesen ist?

IV. Strategisches Vorgehen

1. Mit welcher Strategie will der Betriebsrat seine Ziele gegenüber dem Arbeitgeber durchsetzen?

2. Wie weit ist der Betriebsrat bereit, zu gehen? Ist er bereit, die Angelegenheit notfalls auch eskalieren zu lassen, um seine Aufgaben und Rechte ordnungsgemäß wahrzunehmen (z. B.: Anrufung der Einigungsstelle, Einleiten eines Beschlussverfahrens)?