„Machen Sie nie den Fehler, ohne Anwalt in eine Einigungsstelle zu gehen.“
Arbeitsrichter Alfred Then, Referent
Nachdem Alfred Then mit den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates in sozialen (§ 87 BetrVG), personellen (§ 99 BetrVG) und wirtschaftlichen Angelegenheiten (§ 111 BetrVG) die Kernbereiche der Mitbestimmung zusammengefasst hatte, ging er näher auf die unterschiedlichen Formen und Reichweiten der Beteiligungsrechte des Betriebsrates ein. Diese Struktur der Mitbestimmungsrechte erläuterte er anhand einer anschaulichen Grafik
Als erste Stufe mit dem geringsten Beteiligungsrecht nannte der Arbeitsrichter das allgemeine Informationsrecht des Betriebrates aus § 80 II BetrVG, wonach sich die Beteiligung des Betriebsrates in seiner bloßen Unterrichtung erschöpfe. Als Erweiterungen seiner Beteiligungsrechte verwies er beispielhaft auf das Anhörungsrecht des Betriebsrates bei dem Ausspruch von Arbeitgeberkündigungen (§ 102 I BetrVG) sowie auf die Beratungsrechte des Betriebsrates bei Interessenausgleichsverhandlungen im Rahmen von Betriebsänderungen gemäß § 111 BetrVG.
Schließlich wandte sich Alfred Then den sogenannten „echten Mitbestimmungsrechten“ als stärkste Form der Beteiligungsrechte von Betriebsräten zu. Hierbei unterschied er zwischen den Mitbestimmungsrechten bei Regelungsstreitigkeiten in sozialen Angelegenheiten (§ 87 I BetrVG), in denen der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat eine Einigung über eine bestimmte Regelung erzielen müsse und den Mitbestimmungsrechten in personellen Angelegenheiten (§ 99 BetrVG), in denen der Arbeitgeber eine fehlende Zustimmung des Betriebsrates im Rahmen einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung notfalls gerichtlich ersetzen lassen müsse.
Interessant waren in diesem Zusammenhang insbesondere die Ausführungen des Experten zu den Möglichkeiten des Betriebsrates bei der Gestaltung und Durchsetzung seiner Beteiligungsrechte. Hierbei verdeutlichte er plakativ die Unterschiede zwischen einer Regelungsstreitigkeit und einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zwischen den Betriebsparteien. Bei einer Regelungsstreitigkeit im Rahmen sozialer Angelegenheiten gäbe es kein richtig oder falsch, sondern einen ganzen Fächer an möglichen rechtlichen Überlegungen. Hier sage der Gesetzgeber klar: „Wenn ihr euch nicht einigen könnt, geht über die Einigungsstelle, um eine Betriebsvereinbarung zu schließen.“
Der Referent ging auch auf die generellen Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats zur Gestaltung seiner Beteiligungsrechte ein: Neben der Erzielung einer Einigung der Betriebsparteien über eine förmliche Betriebsvereinbarung, formlose Regelungsabrede oder durch Spruch einer Einigungsstelle könne ein Betriebsrat bei Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Mitbestimmungsrechte auch schlicht versuchen, eine Maßnahme zu verhindern. Entweder verweigerten die Arbeitnehmer eine Anordnung des Arbeitgebers, oder ein Beschlussverfahren vor einem Arbeitsgericht ordne die Unterlassung an – gegebenenfalls sogar per einstweiliger Verfügung. Selbst eine Ordnungswidrigkeiten- oder sogar Strafanzeige sei je nach Fallkonstellation denkbar.
Damit zurück zum eigentlichen Thema, der Einigungsstelle
Diese kommt zustande, weil entweder der Betriebsrat oder der Arbeitgeber eine Maßnahme erreichen will. Es wird verhandelt. Wird in der Sachfrage selbst eine innerbetriebliche Einigung erzielt, kommt man sofort zu einer Betriebsvereinbarung.
Scheitern die Verhandlungen in der Sache, wird über die Einsetzung und Besetzung einer Einigungsstelle „verhandelt“. Sind diese Bemühungen von Erfolg gekrönt, kommt es zu Verhandlungen vor der Einigungsstelle, an deren Ende die Einigung oder ein bindender Spruch der Einigungsstelle zu der Regelungsstreitigkeit steht. In jedem Fall ist das Endergebnis einer solchen Regelungsstreitigkeit eine Betriebsvereinbarung!
Rechtzeitig den richtigen Vorsitzenden bestimmen
Falls aber schon die Verhandlungen über die Einsetzung einer Einigungsstelle scheitern, schlägt die Stunde des Arbeitsgerichts. Dort wird die Einsetzung einer Einigungsstelle beantragt. Das zuständige Arbeitsgericht muss dann auch einen Vorsitzenden bestimmen (eine Stufe vorher hätte man sich innerbetrieblich in freier Wahl einigen können) sowie die Anzahl der Beisitzer in der Einigungsstelle. Dann fällt beim Vorsitz die Wahl häufig auf den Kandidaten, der als erster gewählt wurde.
Wenn klar sei, dass die Einigungsstelle komme, sollte man sich vor allem um drei Dinge Gedanken machen: Um die Person des Vorsitzenden, um das konkrete Thema und um die Anzahl der Beisitzer. Gerade wenn es um den Vorsitzenden gehe, sei manchmal einiges an Taktieren angebracht. Hin und wieder, so waren sich der Referent und die SWP-Experten einig, sei es gar nicht verkehrt, den Kandidaten von Seiten des Betriebsrats aus zuerst zu nennen, den man nicht in erster Linie will. Reflexartig wähle der Arbeitgeber dann einen anderen Kandidaten – mit etwas Glück den richtigen für den Betriebsrat… Der Vorsitzende müsse lediglich neutral und möglichst in gewissem Rahmen sachkundig sein. Then: „Dann kann es auch der Vorsitzende der Trachtengruppe Garmisch sein.“
Was außerdem wichtig ist, was den Vorsitzenden angeht:
Informieren Sie sich ausführlich über mögliche Kandidaten, tauschen Sie sich mit anderen Betriebsräten aus. Ein Vorsitzender, der seine Stelle gut ausfüllt, ist manchmal wichtiger als der Spruch, den die Einigungsstelle am Ende fällt.
Bei der Zahl der Beisitzer sollte man Maß walten lassen – je mehr Beisitzer, desto länger dauert eine Einigungsstelle und desto mehr kostet sie, könnte man über den Daumen gepeilt sagen. Normal sei eine Anzahl von zwei bis drei Beisitzern. Falls der Arbeitgeber sich bei der Anzahl der Beisitzer querlegt, sei es eine denkbare Lösung, Betriebsöffentlichkeit herzustellen (benannte Beobachter aus der Belegschaft werden zugelassen), die dann als „Backoffice“ an der Lösung mitarbeiten, ohne direkt Teil der Einigungsstelle zu sein.
Denn was der Betriebsrat mit wem im Hinterzimmer außerhalb der Einigungsstelle berate, gehe den Arbeitgeber schließlich nichts an. Um das Zahlenverhältnis zugunsten des Betriebsrats zu beeinflussen, sei es auch möglich, einen Anwalt als Prozessbevollmächtigten zu benennen. Then: „Und schon haben Sie wieder einen Mann mehr.“ Der Prozessbevollmächtigte habe zwar keine Stimme bei der Abstimmung und sei auch nicht in der Schlussbesprechung dabei, spiele aber sonst voll mit.
Ein weiteres wichtiges Thema, dem sich die Veranstaltung widmete, war das der Fristsetzung. Besonders zur Aufnahme von Verhandlungen sei die Fristsetzung ein unverzichtbares Werkzeug, mit dem der Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber seinen ernsthaften Willen zur Herbeiführung einer Regelung Nachdruck verleihen könne. Der Experte rät: „Bringen Sie ihn nicht in Bedrängnis – fragen Sie ihn einfach, wie lange er braucht.“ Eine Frist zwischen zwei und vier Wochen zu setzen sei typisch.
Bedenken sollten Betriebsräte immer: Bei Schwierigkeiten bietet eine Einigungsstelle große Chancen. Etwa wenn es darum geht, Informationen vom Arbeitgeber zu erhalten – besonders jene, die dem Betriebsrat trotz entsprechender Bitten bis dahin vorenthalten worden sind (etwa Bilanzen zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers bei Verhandlungen über den Abschluss eines Sozialplans).
Der einzige Schutz: Sich gut in die Lage des Arbeitgebers einfühlen, eine „Antenne“ dafür entwickeln, wenn er nur fintiert (wenn er also schon mit weniger als seiner eigentlichen Forderung sein Ziel erreicht sein könnte) – oder mit einem erfahrenen Anwaltsteam arbeiten, das zwar nicht Gedanken lesen kann, aber viele Schlichen von Arbeitgebern bereits kennt.
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