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Betriebs­vereinbarungenChancen und Fallstricke

„Das ist eine richtig nette ‚Ich scheiß dich nicht an, du scheißt mich nicht an’-Vereinbarung.“

Aus: From Dusk Till Dawn

So hart verhandelt wie in dem Quentin Tarantino-Klassiker „From Dusk Till Dawn“ wird bei Betriebsvereinbarungen selten, besonders kommt in der Regel „Mr. 9 Millimeter“ nicht zum Einsatz. Trotzdem ist das Geflecht, das die Aufstellung von Betriebsvereinbarungen umgibt, diffizil. Was ist überhaupt eine Betriebsvereinbarung?

In § 77 Abs. 1 BetrVG ist allgemein von Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber die Rede. Kennzeichnend für sie ist die normative, gesetzesgleiche Wirkung. Sie greift unmittelbar bei allen Arbeitsverhältnissen, soweit nicht schon günstigere arbeitsvertragliche Regelungen bestehen.

Wichtig: der Unterschied zwischen erzwingbaren Betriebsvereinbarungen gemäß § 87 BetrVG und freiwilligen Betriebsvereinbarungen gemäß § 88 BetrVG. Betriebsvereinbarungen dürfen natürlich nicht gegen zwingende Gesetze verstoßen und nicht in den „Individualbereich“ des Arbeitnehmers eingreifen. Eine weitere wichtige Einschränkung nach § 77 Abs. 3 BetrVG gilt es zu beachten: Per Tarifvertrag geregelte Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen können nicht Inhalt einer „BV“ sein. Ob die Regelung in einem Verbands-oder Firmentarifvertrag enthalten ist, ist dabei unerheblich.

1. Zustandekommen, Wirkung und Beendigung von Betriebs­vereinbarungen

Betriebsvereinbarungen kommen durch übereinstimmenden Beschluss von Arbeitgeber und Betriebsrat zustande. Sie wirken sich auf aktuell beschäftige Arbeitnehmer aus sowie auf alle Arbeitsverhältnisse, die nach ihrem Zustandekommen geschlossen werden, leitende Angestellte stets ausgenommen. Für die Arbeitnehmer gelten die Vereinbarungen unmittelbar und zwingend als übergeordnete Regelung. Außerdem kann einzelvertraglich nur zu Gunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden, es sei denn eine Öffnungsklausel lässt abweichende einzelvertragliche Änderungen zu.

Generell werden bei Abschluss der Betriebsvereinbarung bestehende ungünstigere einzelvertragliche Abmachungen durch die Betriebsvereinbarung ersetzt. Günstigere Regelungen bleiben allerdings bestehen (es gilt das Günstigkeitsprinzip). Ein Verzicht auf Ansprüche aus einer Betriebsvereinbarung ist nur mit BR-Zustimmung möglich (§ 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG).

Eine Betriebsvereinbarung endet entweder durch Ablauf zum vereinbarten Zeitpunkt oder durch ausdrückliche Aufhebung. Sie endet auch, wenn eine neuere Vereinbarung sie ersetzt (auch bei ungünstigeren Regelungen). Für die ordentliche Kündigung einer Betriebsvereinbarung beträgt die Frist drei Monate, soweit in der Betriebsvereinbarung nichts anderes vereinbart ist. Die außerordentliche Kündigung ist nur in Extremfällen zulässig.

In Fällen der erzwingbaren Mitbestimmung wirkt die Betriebsvereinbarung nach (§ 77 Abs. 6 BetrVG). Teilmitbestimmungspflichtige Betriebsvereinbarungen haben in der Regel keine Nachwirkung, wenn der Arbeitgeber sie insgesamt kündigt. Ausnahme: Die einzelnen Teile der Betriebsvereinbarung können isoliert betrachtet werden (dann wirkt der mitbestimmungspflichtige Teil nach). Für den Fall, dass eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit geregelt wird, entfaltet sie eine Nachwirkung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG. Freiwillige Betriebsvereinbarungen können also nicht nachwirken, es sei denn das steht expressis verbis im Vereinbarungstext.

2. Form der Betriebs­vereinbarung

Im Gegensatz zu anderen Vereinbarungen im Arbeitsrecht (etwa Arbeitsverträgen) bedarf die Betriebsvereinbarung gemäß § 77 Abs. 2 BetrVG immer der Schriftform. Eine Betriebsvereinbarung kann nie elektronisch abgeschlossen werden. Beide Seiten müssen auf demselben Schriftstück unterzeichnen. Es können sowohl der Arbeitgeber selbst als auch ein Stellvertreter unterschreiben. Nach dem Beschluss und der Zustimmung des Betriebsrats unterzeichnen der Betriebsratsvorsitzende oder bei dessen Verhinderung sein Stellvertreter. Verstößt eine Betriebsvereinbarung gegen die Formvorschriften gemäß § 77 Abs. 2 BetrVG, kann sie in eine Regelungsabrede umgedeutet werden.

Betriebsvereinbarungen müssen im Betrieb bekanntgemacht werden. § 77 Abs. 2 Satz 2 BetrVG verpflichtet den Arbeitgeber dazu (Schwarzes Brett, Intranet etc.). Eine unterlassene Bekanntmachung führt nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarung.

3. Verhältnis Betriebsvereinbarung – Tarifvertrag

Laut § 77 Abs. 3 BetrVG dürfen Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein, soweit sie in Tarifverträgen geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden. So soll die Tarifautonomie und die Funktionsfähigkeit der Koalitionen (Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände) geschützt werden. Betriebsvereinbarungen können daher nie Tarifvertragsersatz für nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer sein. Auch können sie nicht als kollektives Regelungsinstrument zur Begründung außertariflicher Ansprüche herangezogen werden.

Eine davon abweichende Regelung enthält § 87 Abs. 1 BetrVG im Rahmen der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten. Hier verdrängen (nur) tatsächlich bestehende gesetzliche oder tarifliche Regelungen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Auch in diesen Fällen sind Betriebsvereinbarungen nur zulässig, wenn der Tarifvertrag eine entsprechende Öffnungsklausel enthält. Damit eröffnet § 87 Abs. 1 BetrVG im Bereich der zwingenden Mitbestimmung dem Betriebsrat einen viel größeren Regelungsspielraum als ihm nach § 77 Abs. 3 BetrVG zustünde.

Nach der Rechtsprechung ist die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG im Bereich des § 87 BetrVG nicht anwendbar. Das heißt: Im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung steht nach § 87 BetrVG nur eine bestehende tarifliche Regelung, nicht jedoch die bloße Tarifüblichkeit dem wirksamen Abschluss einer Betriebsvereinbarung entgegen. Grundvoraussetzung ist allerdings die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers. Die Tarifbindung auch nur eines Arbeitnehmers ist nicht erforderlich. Ferner muss der Tarifvertrag voll wirksam sein. Eine nur nachwirkende oder übliche Tarifregelung begründet keine Regelungssperre.

Die Sperre des § 87 Abs. 1 Satz 1 BetrVG greift außerdem nur „soweit“ ein Tarifvertrag besteht, d.h. wenn der Tarifvertrag die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit abschließend regelt. In der Praxis neigt die Recht sprechung dazu, das Vorliegen einer abschließenden tariflichen Regelung eng auszulegen. Eine solche Regelung wird also selten angenommen, um der betrieblichen Mitbestimmung Raum zu geben.

Auswirkungen von § 77 Abs. 3 BetrVG auf so genannte freiwillige Betriebsvereinbarungen:

§ 77 Abs. 3 BetrVG nimmt im Falle von Mitbestimmungstatbeständen außerhalb von § 87 Abs. 1 BetrVG zunächst Arbeitsentgelte in jeder Form von der Regelungskompetenz aus. Das betrifft Grundlöhne, Sachleistungen, Prämien, Gratifikationen, Zulagen oder Gewinnbeteiligungen. Das Günstigkeitsprinzip findet im Verhältnis von Betriebsvereinbarung und Tarifvertrag keine Anwendung. Es ist also unerheblich, ob die Betriebsvereinbarung im Vergleich zur tariflichen Regelung bessere Bedingungen enthält.

Sonstige Arbeitsbedingungen, die von der Tarifsperre erfasst werden, müssen nicht lohnähnlich sein. Jede tarifübliche Regelung reicht aus, besonders was die Arbeitsdauer angeht.

Tarifvertraglich geregelt ist jede Arbeitsbedingung, über die ein Tarifvertrag abgeschlossen worden ist – und wenn der Betrieb in den räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich dieses Vertrages fällt. Eine Sperrwirkung nach § 77 Abs. 3 BetrVG besteht nicht, wenn der Tarifvertrag eine Öffnungsklausel enthält, nach der Arbeitgeber und Betriebsrat eine vom Tarifvertrag abweichende Regelung vereinbaren können. Eine solche Öffnungsklausel muss jedoch klar und ausdrücklich im jeweiligen Abschnitt des Tarifvertrages genannt sein.

4. Verhältnis Betriebs­vereinbarung – Betriebs­vereinbarung

Existiert bereits eine Betriebsvereinbarung und wird zum selben Thema eine neue geschlossen, ersetzt die jüngere Betriebsvereinbarung die ältere. Dies gilt unabhängig davon, ob die jüngere Vereinbarung günstiger ist oder nicht. Deshalb Vorsicht: Eine jüngere Betriebsvereinbarung kann Verschlechterungen zu Lasten der Arbeitnehmer umsetzen.

5. Verhältnis Betriebs­vereinbarung – Arbeitsvertrag

Grundsätzlich gilt: Eine Betriebsvereinbarung hat „Vorfahrt“ vor Arbeitsverträgen. Das ist aber anders, wenn der Arbeitsvertrag günstigere Regelungen enthält. Und zwar egal, ob die günstigere arbeitsvertragliche Regelung vor oder nach Abschluss der Betriebsvereinbarung vereinbart wurde. Etwas anderes gilt nur, wenn eine Betriebsvereinbarung nach einem Betriebsübergang geschlossen wurde und eine frühere Betriebsvereinbarung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB zum individualrechtlichen Inhalt eines Arbeitsverhältnisses geworden ist. Liegt keine Betriebsvereinbarung vor, die eine arbeitsvertragliche, auch nachteilige Abweichung ausdrücklich zulässt, sticht immer die Betriebsvereinbarung – und ungünstigere Absprachen werden verdrängt.

Im Günstigkeitsvergleich werden kollektiv so genannte Sachgruppen miteinander verglichen. Ein Vergleich zwischen unterschiedlichen Komplexen wie etwa einem höheren Lohn einerseits und kürzeren Kündigungsfristen andererseits findet aber nicht statt. Verglichen werden können etwa zusätzliche Sozialleistungen nach der Betriebsvereinbarung und ihre Regelung im Arbeitsvertrag. Der Günstigkeitsvergleich soll möglichst objektiv sein.

Diskutiert wird oft, ob die Arbeitsplatzsicherung in den Günstigkeitsvergleich einbezogen werden muss. Etwa in der Weise, dass ein Unterschreiten des tariflichen Entgeltes oder die Verlängerung der Arbeitszeit (auch ohne entsprechende Bezahlung) bei gleichzeitiger Vereinbarung eines Kündigungsverbotes günstiger ist, als drohender Arbeitsplatzverlust. Umstritten ist auch, ob es günstiger ist, länger als die tarifliche Arbeitszeit zu arbeiten und damit mehr Geld zu verdienen. Eine arbeitsgerichtliche Entscheidung hierzu liegt bislang nicht vor. Günstiger soll es in jedem Fall sein, wenn Arbeitnehmer frei wählen können, ob sie für mehr Geld arbeiten wollen oder lieber weniger arbeiten und mehr Freizeit haben.

6. Die Mitbestimmungs­rechte des § 87 BetrVG in aller Kürze

a. Fragen der Betriebsordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG)

Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich auf alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen des Arbeitgebers betreffend die allgemeine Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer. Die ständige Rechtsprechung des BAG unterscheidet zwischen mitbestimmungs-freiem „Arbeitsverhalten“ und mitbestimmungspflichtigem „Ordnungsverhalten“. Bei Maßnahmen, die das reine „Arbeitsverhalten“ betreffen, hat der BR kein Mitbestimmungsrecht.

b. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG)

Zweck des Mitbestimmungsrechtes ist es, die Interessen der Mitarbeiter an der Lage der Arbeitszeit und damit an der Lage ihrer Freizeit zu wahren. Es geht aber nur um die Lage der Arbeitszeit, nicht um die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit.

Die kann nur der Arbeits- oder im Tarifvertrag regeln. Mitbestimmung ist auch ausgeschlossen, wenn es nur um die Klärung persönlicher Verhältnisse einzelner Arbeitnehmer geht. Vom Mitbestimmungsrecht über die Verteilung der Arbeitszeit auf einzelne Wochentage werden etwa auch Regelungen erfasst über die Anzahl der arbeitsfreien Tage, über die Einführung eines rollierenden Systems, nach dem arbeitsfreie Tage in verschiedenen Wochen auf verschiedene Wochentage gelegt werden oder aber die Beschäftigung im Sonntagsverkauf. Auch Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit oder die Einführung von Schichtarbeit sind betroffen (oder auch ihre Umgestaltung oder Gestaltung von Schichtplänen). Zudem sind Einführung und Ausgestaltung sonstiger Arbeitszeitmodelle im Rahmen der tariflichen Vorgaben mitbestimmungspflichtig (gleitende Arbeitszeit, Beschäftigung nach Bedarf oder zu festen Arbeitszeiten, Bereitschaftsdienste, Rufbereitschaft, Arbeitszeitkonten etc.).

c. Vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit

Soll die betriebsübliche Arbeitszeit nur vorübergehend verkürzt oder verlängert werden, steht dem Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG auch ein Mitbestimmungsrecht über die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit zu. So sollen mögliche Lohneinbußen durch Kurzarbeit oder Sonderbelastungen durch Mehrarbeit vermieden werden. Unter „betriebsüblich“ ist die regelmäßige betriebliche Arbeitszeit zu verstehen. Sie kann bei verschiedenen Arbeitnehmergruppen differieren. Daher kann auch die vorübergehende Verlängerung oder Verkürzung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten mitbestimmungspflichtig sein. Bei Gleitzeitregelungen gilt der „Gleitzeit-Korridor“ als betriebsübliche Arbeitszeit.

Eine Veränderung der wöchentlichen Arbeitszeit gilt als vorübergehend, wenn sie nur für kurze Zeit und nicht auf Dauer angelegt ist. Das BAG verlangt, dass der Zeitraum überschaubar ist (etwa Sonderschichten für einzelne wenige Tage).

d. Auszahlung der Arbeitsentgelte (§ 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG)

Hier zählt bei der Mitbestimmung nicht die Höhe des Entgelts, sondern nur die Art der Auszahlung (monatliche oder wöchentliche Auszahlung, im Betrieb, bar oder bargeldlos).

e. Urlaub ( § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG)

Die Mitbestimmung des Betriebsrates soll einen Ausgleich zwischen den Urlaubswünschen der Arbeitnehmer und dem Interesse des Arbeitgebers am reibungslosen Betriebsablauf schaffen. Die Rede ist hier von jeder Form von bezahltem oder unbezahltem Urlaub, also gesetzlichem Mindesturlaub (§ 1 BUrlG), zusätzlichem Erholungsurlaub nach Tarif- oder Einzelarbeitsvertrag, Zusatzurlaub für Schwerbehinderte, Bildungsurlaub nach den Landesgesetzen zur Arbeitnehmerweiterbildung sowie bezahltem oder unbezahltem Sonderurlaub. Freistellungen von der Arbeitspflicht werden nicht erfasst. Diese können mitbestimmungsfrei ausgesprochen werden (bei Erfüllung der invididualrechtlichen Voraussetzungen).

Der Betriebsrat ist an der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze zu beteiligen (Vereinbarungen über Sperrzeiten etwa während des Schlussverkaufs im Einzelhandel, über Auswirkungen von Familienstand und Vorhandensein schulpflichtiger Kinder auf zeitliche Lage des Urlaubs sowie Betriebsferien). Da dem Betriebsrat hier ein Initiativrecht zusteht, kann er auch von sich aus die Einführung allgemeiner Betriebsferien verlangen. Soweit dem berechtigte betriebliche Belange entgegenstehen, dürfen die aber nicht durch einen Einigungsstellenspruch gegen den Arbeitgeberwillen eingeführt werden.

Auch der Urlaubsplan ist mitbestimmungspflichtig. Er legt die Zeiten fest, in denen einzelnen Arbeitnehmern im Laufe des Jahres Urlaub gewährt werden soll. Er ist zu unterscheiden von der Urlaubsliste zum Eintragen der Urlaubswünsche (sie ist mitbestimmungsfrei).

f. Technische Überwachungseinrichtungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG)

Das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dient dem Persönlichkeitsschutz des einzelnen Arbeitnehmers gegen anonyme Kontrolleinrichtungen, die stark in seinen persönlichen Bereich eingreifen können Es geht nicht darum, jegliche Überwachung zu vermeiden, sondern nur um Schutz vor den Gefahren durch den Einsatz technischer Einrichtungen.

Besondere Anforderungen müssen an Überwachungseinrichtungen (optische, akustische, mechanische und elektronische Geräte) nicht gestellt werden – sie müssen nur objektiv geeignet sein, Leistung und Verhalten einzelner Arbeitnehmer zu überwachen. Selbst wenn personenbezogene Kontrollen nicht beabsichtigt sind, reicht deren Möglichkeit aus, um das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates auszulösen. Mitbestimmungspflichtig ist sowohl die Datenerhebung (sei es durch Film- oder Fernsehkameras, Abhörgeräte, Stechuhr, Fahrtenschreiber, GPS oder ähnliche Geräte) als auch die Verarbeitung und Bewertung. Eine Auswertung muss die Einrichtung selbst nicht vornehmen können.

Auch die Datenauswertung unterliegt dem Mitbestimmungsrecht. Damit unterliegen auch auf nichttechnischem Wege gewonnene Daten, die erst später in eine Datenverarbeitungsanlage eingegeben wurden, der Mitbestimmung. Eine Auswertung besteht in programmgemäßer Sichtung, Sortierung und Zusammenstellung von Daten, die zueinander in Beziehung gesetzt werden um Aussagen über Verhalten und Leistung zu erhalten.

Voraussetzung ist immer, dass die Daten einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet werden können. Ist kein Rückschluss auf Leistung oder Verhalten eines Einzelnen möglich, besteht auch keine Mitbestimmung.

g. Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten

Zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten kann der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitbestimmen, wie der Arbeitgeber verbindliche Arbeits- und Sicherheitsanweisungen erlassen darf (Konkretisierung von Unfallverhütungsvorschriften).

Das Mitbestimmungsrecht dient dem Schutz der Gesundheit und des Lebens der Arbeitnehmer. Gesundheitsschutz umfasst das psychische und physische Wohlbefinden, aber auch die hygienischen Rahmenbedingungen. Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich inhaltlich auf organisatorische, medizinische und technische Maßnahmen. Es kann aber immer nur im Rahmen der bestehenden Arbeitsschutzvorschriften ausgeübt werden. Wesentlich sind hier das Arbeitsschutzgesetz, das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG), die Arbeitsstättenverordnung und die auf § 3 Abs. 2 ArbStätt-VO beruhenden Arbeitsstättenrichtlinien (ASR). Der Anwendungsbereich ist allerdings nicht sehr groß: Denn es existiert ein dichtes Netz öffentlichrechtlicher Arbeitsschutzvorschriften (z.B. ArbStättV), die kaum Raum für darüber hinausgehende Regelungen der Betriebspartner lassen.

h. Sozialeinrichtungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG)

Unter Sozialeistungen fallen alle Einrichtungen, die sozialen Zwecken dienen. D.h. sie bieten den Arbeitnehmern oder deren Familienangehörigen über das unmittelbare Arbeitsentgelt hinaus weitere Vorteile – und verbessern deren soziale Lage. Beispiele: Pensions- und Unterstützungskassen, Kantinen, betriebliche Sportanlagen, Kindergärten, eigene Werksbusse, Werksbüchereien, Werkskrankenhäuser usw.

Versorgungszusagen des Arbeitgebers zählen wegen fehlender organisatorischer Eigenständigkeit nicht dazu (selbst wenn zur Finanzierung der Pensionsleistungen eine Rückdeckungsversicherung besteht). Auch die Vergabe von zinsvergünstigten Arbeitgeberdarlehen, die Gewährung von Warenbezug unter Einräumung eines Personalrabattes und die Ausgabe von Essensmarken ist nicht zu berücksichtigen.

Das Mitbestimmungsrecht beginnt bei der Frage, welche Rechtsform die Sozialeinrichtung haben soll. Arbeitgeber und Betriebsrat bestimmen gemeinsam, ob eine Sozialeinrichtung als unselbständiger Teil des Betriebes, Unternehmens oder Konzerns oder als selbständige juristische Person (z.B. GmbH, AG) betrieben wird.

Bekommt die Sozialeinrichtung eine eigene Rechtspersönlichkeit, muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass in ihr die Vereinbarungen mit dem Betriebsrat auch durchgeführt werden. Daher entsendet der BR häufig Vertreter in die Organe der Sozialeinrichtungen. Dort darf dann nicht gegen den Widerspruch des Betriebsrates entschieden werden.

Auch die Ausgestaltung unterliegt der Mitbestimmung: Hierzu gehören Benutzungsordnungen oder Grundsätze über die Ausstattung der Einrichtung (z.B. Plastikgeschirr in der Kantine, Automaten u. ä.). Hier geht es auch um die Aufstellung von Verteilungsgrundsätzen oder Leistungsplänen, etwa von Voraussetzungen, unter denen Anwartschaften entstehen und Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung gegen eine Unterstützungskasse erworben werden können. Auch Kantinenpreise oder der Fahrplan eines Werksbusverkehrs zählen hierzu. Mitbestimmungspflichtig ist auch die Verwaltung der sozialen Einrichtungen.

Nicht mitbestimmungspflichtig ist die Entscheidung, eine Sozialeinrichtung zu errichten. Die Initiative kann der Arbeitgeber selbständig ergreifen, ebenso kann er festlegen, wie viel Geld er in die Hand nehmen möchte. Auch die Schließung ist nicht mitbestimmungspflichtig. Zudem kann das Unternehmen den Zweck und den Kreis der begünstigten Personen frei festlegen – im Abstrakten. Die konkrete Auswahl der begünstigten Arbeitnehmer gehört zur Verwaltung der Sozialeinrichtung, und ist daher mitbestimmungspflichtig.

Auch die vollständige Streichung einer einmal gewährten finanziellen Ausstattung ist nicht mitbestimmungspflichtig. Wird aber nur gekürzt, hat allerdings der Betriebsrat über die Grundsätze der Neuverteilung der reduzierten Mittel mitzubestimmen.

i. Betriebliche Lohngestaltung (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG)

Dieses Mitbestimmungsrecht schützt die Arbeitnehmer vor einseitiger, an Interessen des Arbeitgebers orientierter und willkürlicher Lohngestaltung. Darunter ist nicht nur das reine Arbeitsentgelt, sondern auch jede Sonderleistung zu verstehen, also auch Sachleistungen. Ob die Leistung freiwillig oder auf Grund einer Verpflichtung erfolgt, ist egal.

Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich nur auf kollektive Tatbestände. Ein kollektiver Tatbestand liegt vor, wenn Grund und Höhe der Zahlung von allgemeinen Merkmalen abhängig sind, die von einer Mehrzahl von Arbeitnehmern erfüllt werden können. Auch bei der Zahlung einer Vergütung an nur einen Arbeitnehmer kann ein kollektiver Tatbestand vorliegen.

Das ist dann der Fall, wenn die Zahlung nach Leistung erfolgt, da dieses Kriterium automatisch den Vergleich mit einer Normal-, Mindest- oder Minderleistung anderer Arbeitnehmer voraussetzt.

Ein nicht mitbestimmungspflichtiger Einzelfall liegt nur vor, wenn besondere Umstände des einzelnen Arbeitnehmers für die Zahlung eines Vergütungsbestandteils eine Rolle spielen. Und wenn die in keinem inneren Zusammenhang mit Leistungen anderer Arbeitnehmer stehen oder wenn ein Arbeitnehmer ein konkretes anderweitiges Arbeitsangebot hat.

Und falls der Arbeitnehmer nur durch ein Angebot von Mehr-Vergütung zum Bleiben bewegt werden kann. Mitbestimmungspflichtig ist hingegen die Frage, ob im Zeitlohnsystem, im Prämienlohnsystem oder im Akkordlohnsystem gearbeitet und wie die Vergütung der Akkord-Arbeit gestaffelt wird. Ein Initiativrecht auf Einführung von Leistungslohn steht dem Betriebsrat nicht zu. Will der Arbeitgeber dagegen selbst Leistungslohn einführen, ist seine Ausgestaltung mitbestimmungspflichtig. Auch Verfahren, die die Höhe von Löhnen näher bestimmen, etwa Punktesysteme oder das Feststellen von Arbeits-Schwierigkeitsgraden sind mitbestimmungspflichtig.

Zum anderen hat der Betriebsrat mitzubestimmen über die Frage, wie der Leistungsgrad der einzelnen Arbeitnehmer insbesondere beim Akkord- und Prämienlohn zu ermitteln ist. Nicht mitbestimmungspflichtig ist aber die Lohnhöhe selbst.

Vergütungsregelungen sind typischer Kernbestandteil von Tarifverträgen – und damit finden sich in den einschlägigen Lohn- und Gehaltstarifverträgen vielfach abschließende Regelungen, die keinen Raum für abweichende oder ergänzende Betriebsvereinbarungen lassen.

Vom Mitbestimmungsrecht nicht erfasst werden individuelle Lohnvereinbarungen mit Mitarbeitern, bei denen besondere Umstände eine Rolle spielen (kein direkter Leistungsvergleich möglich). Bei freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers ist das Mitbestimmungsrecht eingeschränkt. Er kann frei entscheiden, ob und in welchem Umfang er finanzielle Mittel für freiwillige Leistungen einsetzen oder wieder streichen will. Die Mitbestimmung beschränkt sich auf die Frage der gerechten Verteilung der zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel.

k. Leistungsbezogene Entgelte (§ 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG)

Vergleichbare leistungsbezogene Entgelte sind nur solche Entgelte, deren Höhe nach dem vom Arbeitnehmer konkret beeinflussbaren Arbeitsergebnis bemessen wird. Deswegen sind Leistungszulagen, die zwar in der Erwartung besonderer Leistungen gezahlt werden, aber nicht von einer konkreten Arbeitsleistung abhängen (z.B. Jahresabschlussvergütungen), nicht mitbestimmungspflichtig.

i. Betriebliches Vorschlagswesen (§ 87 Abs. 1 Nr. 12 BetrVG)

Die Mitbestimmung des Betriebsrates soll im betrieblichen Vorschlagswesen dazu führen, dass die von der Arbeitnehmerseite kommenden Vorschläge gerecht bewertet werden.

Das Mitbestimmungsrecht umfasst Verbesserungsvorschläge, die Arbeitnehmer diese außerhalb ihres eigentlichen Aufgabenkreises freiwillig zur Verbesserung betrieblicher Abläufe oder zur Förderung der menschlichen Zusammenarbeit im Betrieb machen. Niemand darf auf Grund seines Arbeitsvertrags zu Vorschlägen verpflichtet sein. Vorschläge können sich zudem auf technische, soziale oder organisatorische Bereiche beziehen.

m. Grundzüge über die Durchführung von Gruppenarbeit

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 13 BetrVG hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht im Hinblick auf die Durchführung von Gruppenarbeiten. Hintergrund des Mitbestimmungsrechtes ist es, die Ausgrenzung leistungsschwächerer Arbeitnehmer zu verhindern.

Allerdings greift das Mitbestimmungsrecht nur bei der Durchführung, nicht jedoch bei der Frage der Einführung von Gruppenarbeit. Auch auf die Besetzung hat der Betriebsrat keinen Einfluss.