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Surfen in die Kündigung?Internet am Arbeitsplatz

„Ich weiß was du durchmachst. Du bist allein und suchst deinen Platz im Leben. Vermassele es nicht wie ich! Klar? Hände weg von Drogen, Gangs und Cyberporno im Internet und du kannst Präsident der schönen USA werden!“

Blues Brothers 2000

Nur mal kurz in der Mittagspause im Netz gewesen, auf den Seiten der lokalen Tageszeitung etwa, um die kleinen grauen Zellen wieder in Gang zu bringen – und am nächsten Tag die Kündigung auf dem Tisch? Natürlich ist das ein drastisches Szenario: Aber nicht vollkommen aus der Luft gegriffen. Die Verlockungen des Internets sind groß. Doch sollte jeder Arbeitnehmer sich vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung vor Augen halten: Es besteht Arbeitspflicht. Und die wiegt im Zweifelsfall stärker, als eine schwammige firmeninterne oder nicht vorhandene Regelung privater Internetnutzung am Arbeitsplatz. Das hat das Bundesarbeitsgericht bereits mehrfach betont.

Möglichst knapp zusammengefasst heißt das: Privates Surfen ist in weit mehr Fällen unzulässig, als nur bei offensichtlichen Online-Verfehlungen, wie etwa das Aufrufen von Porno-Seiten am Arbeitsplatz oder das Öffnen und Herunterladen strafrechtlich relevanter Seiten und Dateien wie etwa rechtsradikale Inhalte. Auch wenn man während der Arbeitszeit bei einem Routenplaner eine private Wegstrecke checkt, reicht das für eine Abmahnung. Wann ist eine private Internetnutzung im Büro also überhaupt zulässig?

Gibt es in Ihrem Unternehmen einen Betriebsrat, sollten Sie sich erkundigen, ob es eine Betriebsvereinbarung zur Regelung privater Internetnutzung gibt. Existiert eine solche, ist sie für alle Betriebsangehörigen bindend. Man sollte sie dann tunlichst beachten. Oft schließen solche Vereinbarungen per se alles aus, außer die berufliche Nutzung des Internets. Das mag nicht für jeden nachvollziehbar sein, ist aber dann wenigstens eindeutig. Ist während der Pausen freies Surfen gestattet, sollte klar sein, dass auch dieser Bogen nicht überspannt werden sollte – zwar besteht während der Pausen nicht die bereits zitierte „Arbeitspflicht“; allerdings ist die Internetnutzung immer mit Kosten verbunden, die der Arbeitgeber trägt. Daher sollte in keinem Fall ausschweifend gesurft werde.

Laut einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 7. Juli 2005 ist bei folgenden, unzulässigen Sachverhalten eine Kündigung möglich:

  • Privater Download großer Datenmengen, insbesondere wenn betriebliche Systeme etwa durch Viren zusätzlich gefährdet worden sein könnten
  • Download von Daten, die bei Rückverfolgung den Ruf der Firma schädigen könnten (Pornos, Dateien mit rechtsradikalem Inhalt, strafrechtlich relevantes)
  • Private Nutzungen, durch die dem Arbeitgeber möglicherweise zusätzliche Kosten entstehen
  • Privates Surfen während der Arbeitspflicht (d.h. die „geschuldete Arbeitsleistung wurde erheblich beeinträchtigt“)
  • Bei fehlender Gestattung oder Duldung ist die private Nutzung des Internets grundsätzlich NICHT gestattet!

Konsequenzen auch ohne Abmahnung möglich

Eine vorherige Abmahnung muss es nicht geben – besonders nicht, wenn ein Fall vorliegt, bei dem die Gerichte von „ausschweifender Nutzung“ sprechen. Denn kein Arbeitgeber muss es tolerieren, wenn ein Arbeitnehmer Geld nimmt für Arbeitszeit, in der er keine Leistung erbringt – selbst, wenn das in einer betriebsinternen Regelung zur privaten Internetnutzung nicht eindeutig klargestellt wurde.

Fallbeispiel 1

In unserem ersten konkreten Beispiel, zu dem sich der 2. Senat des BAG am 27. April 2006 in einem Urteil äußerte, war genau das der Fall. Ein Bundeswehr-Angestellter nutzte mehr als zwei Monate lang das Internet am Arbeitsplatz privat – jeweils zwischen 15 Minuten und drei Stunden. Selbst bei Berücksichtigung der Pausenzeiten sah das BAG darin eine „Verletzung der Arbeitspflicht“. Doch damit nicht genug: Der gefeuerte Arbeitnehmer hatte vorwiegend Pornoseiten aufgerufen. Es stand gar der Verdacht im Raum, er habe im Dienst Kinderpornos heruntergeladen.

Schon das zuständige Landesarbeitsgericht hielt die Gefahr einer Rufschädigung bereits dadurch für gegeben. Zudem verbat eine Betriebsvorschrift privates Surfen, was der User sogar mit seiner Unterschrift bestätigt hatte.

Das Strafverfahren wegen Besitz von Kinderpornografie wurde zwar eingestellt – nun aber ging der gefeuerte User mit einer Klage auf Rücknahme der Kündigung in Revision. In der Einschaltung der Kriminalpolizei sah er eine Überreaktion der Behörde, zudem habe er keine Abmahnung erhalten. Er bestritt alle Tatvorwürfe mit dem Argument, er habe sein Passwort auf dem PC abgespeichert und den Raum nie abgeschlossen, wenn er ihn kurz verließ. Jeder hätte also von seinem Rechner aus Zugang zum Internet gehabt. Schließlich sei die fristlose Kündigung mit Rücksicht auf seine langjährige Betriebszugehörigkeit, während derer das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei verlaufen sei, nicht gerechtfertigt.

Mit der Revision beim Bundesarbeitsgericht könnte der Arbeitnehmer sich womöglich einen Bärendienst erwiesen haben. Denn im Gegensatz zum Landesarbeitsgericht (LAG) betonte das BAG den ausschweifenden Charakter seiner Pflichtverletzung, ohne im einzelnen auf die Besonderheiten der herunter geladenen Pornografie abzustellen: In ca. zehn Arbeitswochen betrug die Zeit der privaten Internetnutzung mehr als eine Woche. Dieser zeitliche Umfang reiche zur Begründung einer Kündigung bereits aus. Anhaltspunkte dafür, dass ihm nicht in ausreichendem Umfang Arbeiten zugewiesen worden seien, habe der Kläger zudem nicht vorgetragen.

Fallbeispiel 2

Unser zweiter Fall betrifft einen Chemikanten und Schichtführer in einer Fabrik. Ihm wurde gekündigt, nachdem herausgekommen war, dass auch er sich in epischem Umfang lieber mit Internet-Pornografie beschäftigte, statt seinen eigentlichen Aufgaben nachzukommen. Seine Argumente gegen die fristlose Kündigung: Hinweise, Schulungen oder andere ausdrückliche Anweisungen zur Internetnutzung habe es nicht gegeben. Das Internet habe er nicht umfangreich privat genutzt; er habe lediglich etwa 5 bis 5 ½ Stunden privat im Internet gesurft und dabei maximal zwischen 55 und 70 Minuten Seiten mit pornografischem Inhalt aufgerufen. Darüber hinausgehende Zeiten seien ihm nicht zuzurechnen. Auch sei durch seine private Nutzung des Internets kein finanzieller Schaden entstanden.

Zunächst wurde der Kündigungsschutzklage stattgegeben. In letzter Instanz allerdings wurde sie vom BAG an das LAG zurückverwiesen: Wegen Unklarheit der Lage im Betrieb allerdings kam es zu einem großen Hin und Her. Weiter argumentierte der gefeuerte Cyber-Erotomane, obwohl auf der Intranet-Seite ein Hinweis auf das Verbot privater Nutzung des Internets zu finden gewesen sei, habe er diesen nicht zur Kenntnis nehmen können, da er stets über eine andere Schnittstelle im Betriebssystem online gegangen sei. Der Fall ist noch nicht entschieden.