loader image

Neues Entgelttransparenz­gesetz

Eigentlich ist seit dem 24.05.1949 alles gesagt. Seit dem gilt Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz:

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Dazu kamen dann noch die Römischen Verträge aus dem Jahr 1957, in denen ebenfalls das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer für gleiche und gleichwertige Arbeit in Europa eingeführt worden ist.

Und wie sieht es beim Einkommen in Deutschland knapp 70 Jahre später tatsächlich aus? Die um sonstige Faktoren noch nicht bereinigte statistische Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern, bezogen auf das durchschnittliche Bruttostundenentgelt beträgt immer noch rund 21 Prozent (Ost: 8 Prozent/West: 23 Prozent).

Wenn man nur die Frauen und Männer betrachtet, die über die gleiche formale Qualifikation verfügen und auch sonst die gleichen wesentlichen Merkmalen aufweisen, beträgt der Entgeltunterschied nach Angaben des Statistischen Bundesamtes von 2016 immer noch 7 Prozent (sog. bereinigte Entgeltlücke).

In den vergangenen Jahren ist bereits auf Grund verschiedener, von der SPD angestoßener Gesetze, wie der

  • Einführung des gesetzlichen Mindestlohns,
  • Geschlechterquote für Aufsichtsräte,
  • Neuregelung zur Pflegezeit und Familienpflegezeit,
  • Verbesserung der Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch das Elterngeld-Plus sowie
  • dem Ausbau und der qualitativen Verbesserung der Kindertagesbetreuung

verschiedener unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen von berufstätigen Frauen entgegen gewirkt worden. Um die o. g. verbliebene bereinigte Entgeltlücke zu verringern, hat die Bundesregierung auf die Initiative der SPD hin, noch kurz vor Ablauf ihrer Amtszeit das „Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen“ (sog. EntgTranspG) verabschiedet. Dieses enthält folgende wesentliche Inhalte:

1. Die Einführung eines individuellen Auskunftsanspruchs für Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten bei gleichzeitiger Stärkung des Betriebsrates bei der Wahrnehmung des Auskunftsanspruchs,

2. Die Aufforderung an private Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten, betriebliche Verfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit durchzuführen sowie

3. Die Einführung einer Berichtspflicht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit von Frauen und Männern für Unternehmen mit in der Regel mindestens 500 Beschäftigten, soweit diese nach dem Handelsgesetzbuch lageberichtspflichtig sind.

Betrachten wir uns diese Instrumente näher:

Definition der gleichwertigen Arbeit

Bislang gab es zwar bereits schon im AGG ein gesetzliches Diskriminierungsverbot, das u. a. eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts verbietet. Dieses enthielt jedoch keine Definition der gleichwertigen Arbeit. Ohne eine solche Definition fehlten aber bislang klare Regeln, wie sich eine Diskriminierung bei der Vergütung praktisch nachweisen lässt.

Zur Beseitigung dieser Schwierigkeiten ist nun in § 4 Abs. 2 EntgTranspG definiert, was unter gleichwertiger Arbeit zu verstehen ist. Danach üben weibliche und männliche Beschäftigte eine gleichwertige Arbeit aus, wenn sie unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können. Zu den zu berücksichtigenden Faktoren gehören unter anderem die Art der Arbeit, die Ausbildungsanforderungen und die Arbeitsbedingungen. Es ist von den tatsächlichen, für die jeweilige Tätigkeit wesentlichen Anforderungen auszugehen, die von den ausübenden Beschäftigten und deren Leistungen unabhängig sind.

Somit kommt es lediglich darauf an, ob die zu berücksichtigenden Faktoren „vergleichbar“ sind. Gleichwertige Arbeit erfordert daher nicht identische Arbeitsbedingungen. Des Weiteren fällt auf, dass die „tatsächlichen“ Anforderungen entscheidend sind. Damit sind Anforderungen des Arbeitgebers an eine Stelle, die tatsächlich gar nicht erforderlich sind, unerheblich für einen Vergleich.

Zu 1. Individueller Auskunftsanspruch

In den §§ 10 bis 16 EntgTranspG wurde für Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten ein individueller Auskunftsanspruch eingeführt.

Dieser individuelle Auskunftsanspruch ist der Kern des neuen Gesetzes und soll die Durchsetzung des Anspruchs auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit erleichtern. Bislang bestand zwar auch schon ein Anspruch auf gleiche Bezahlung nach dem AGG. Allerdings ließ sich dieser Anspruch praktisch nur schwer durchsetzen. Die Beschäftigten hatten in der Regel keinen Zugang zu Informationen, die Zweifel über einen Verstoß des Arbeitgebers gegen das Entgeltgleichheitsgebot belegen konnten. Dies galt gerade dann, wenn die Entgeltdiskriminierung nur mittelbar war. Gemäß § 22 AGG waren die Beschäftigten aber im Streitfall beweispflichtig für Indizien für eine Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts.

Der neue individuelle Auskunftsanspruch soll den Beschäftigten nun den Zugang zu den erforderlichen Informationen ermöglichen. Der Beschäftigte hat jetzt grundsätzlich einen Anspruch auf Auskunft über die Kriterien und Maßstäbe zur Festlegung des eigenen Entgelts sowie unter bestimmten Voraussetzungen Informationen über eine vergleichbare Tätigkeit und deren Entgelt.

Dabei hat der Beschäftigte nach § 10 Abs. 1 EntgTranspG sog. Vergleichstätigkeiten im Betrieb in zumutbarer Weise zu benennen. Es reicht somit nicht aus, wenn ein Beschäftigter lediglich generell die Auskunft verlangt, welche vergleichbaren Mitarbeiter des anderen Geschlechts welches Entgelt erhalten.

Nach den Angaben der Bundesregierung betrifft dieser Anspruch derzeit in Deutschland mehr als 14 Millionen Beschäftigte. Tatsächlich dürfte er aber nur einen sehr viel geringeren Anteil der Beschäftigten betreffen.

Das Problem mit der Vergleichsgruppe

Der Auskunftsanspruch wird nämlich fast vollständig dadurch wieder eingeschränkt, dass er sich nicht auf eine einzelne bestimmte Vergleichstätigkeit richtet, sondern nach § 11 Abs. 3 EntgTranspG nur darauf, wie hoch die Vergütung eines Beschäftigten im Vergleich zum Median (Mittelwert) der Vergütungen aller Vergleichstätigkeiten von Beschäftigten des anderen Geschlechts ausfällt.

Selbst dieser Anspruch besteht nach § 12 Abs. 3 EntgTranspG nur, wenn die Vergleichstätigkeit im Betrieb von mindestens sechs Beschäftigten des anderen Geschlechts ausgeübt wird. Begründet wird dies mit dem Erfordernis des Schutzes der persönlichen Daten der jeweiligen Mitarbeiter, die diese Vergleichstätigkeiten ausüben. Hierfür gab es jedoch gesetzgeberisch keinen Grund. Das BDSG hätte eine Einschränkung des Schutzes der persönlichen Daten auf Grund von anderen Gesetzen, wie dem EntgTranspG erlaubt.

Im Betrieb werden in aller Regel nicht Vergleichstätigkeiten in einem Umfang vorhanden sein, dass sie von mindestens sechs Beschäftigten des anderen Geschlechts ausgeübt werden. Dies gilt gerade für die Fälle, für die der Auskunftsanspruch eine echte Hilfe hätte sein können, nämlich im AT-Bereich. Mindestens sechs Vergleichstätigkeiten des anderen Geschlechts sind in der Regel bei einfacheren Tätigkeiten vorhanden, für die es tarifliche Regelungen gibt, die bereits einer Entgeltdiskriminierung entgegenwirken.

Zu 2. und zu 3. Besondere Verpflichtungen für Groß­unternehmen ab 500 Beschäftigten

Betriebliches Prüfverfahren

Nur in Unternehmen ab 500 Beschäftigten werden durch die §§ 17 bis 20 EntgTranspG private Arbeitgeber dazu aufgefordert, regelmäßig betriebliche Prüfverfahren durchzuführen, wobei das Gesetz nur inhaltliche Mindestanforderungen für diese betrieblichen Prüfverfahren vorgibt. Welche Instrumente und Methoden sowie Bewertungssystem, kann der Arbeitgeber frei entscheiden, soweit diese den allgemeinen Bestimmungen des Entgeltgleichheitsgebots entsprechen. Es besteht auch kein Zwang für den Arbeitgeber, die Belegschaft über die Ergebnisse der Bestandaufnahme und der Analyse zu informieren. Er hat lediglich den Betriebsrat über den Stand der Planung des betrieblichen Prüfverfahrens und die Beschäftigten über die Ergebnisse des gesamten Verfahrens zu unterrichten. Es würde gegenüber der Belegschaft somit ausreichen, wenn der Arbeitgeber am Ende mitteilt, dass er keine Anzeichen für eine Diskriminierung gefunden habe.

Berichtspflicht

Private Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten werden verpflichtet, regelmäßig als Anlage zum Lagebericht nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) über ihre Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern und zur Entgeltgleichheit zu berichten. Diese Offenlegungspflicht wird ergänzt durch nach Geschlecht aufgeschlüsselte Angaben zu Beschäftigung und Entgelten. Nicht tarifgebundene und nicht tarifanwendende Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes müssen dieser Pflicht künftig alle drei Jahre nachkommen, tarifgebundene und tarifanwendende Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes alle fünf Jahre.

Fazit

Das Gesetz ist gut gemeint, kommt aber im praktischen häufig vorkommenden Fall, dass eine weibliche Beschäftigte in einem Betrieb ohne Tarifbindung höchstens ein bis höchstens fünf männliche Kollegen mit gleichwertigen Tätigkeiten benennen kann, nicht zur Anwendung. Dies gilt gerade für Tätigkeiten im mittleren und höheren Management.

Düsseldorf, 09.06.2017