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MobbingStill ertragen oder sich wehren?

SWP-Tipps für Ihren Weg aus dem Psycho-Terror

Geht es um Mobbing sollte jeder Betroffene versuchen, einer weiteren Entwicklung dessen vorzubeugen. Helfen kann der Betriebsrat, oder der möglichst frühe Gang zum Fachanwalt für Arbeitsrecht. Daneben können Mobbing-Beratungsstellen persönliche und individuelle Unterstützung im privaten Bereich geben. Sind jedoch schon handfeste Krankheits­symptome da, ist das Arbeitsverhältnis oft nicht mehr zu retten. Das Opfer verlangt dann zu Recht Schadens­ersatz vom Arbeitgeber. Leider scheitert das oft an der Beweisführung. Denn Mobbing fndet meist im Stillen, unter vier Augen statt. Das Dilemma hat die Recht­sprechung erkannt. Das heißt: Sie müssen nicht den Vollbeweis erbringen, es reicht vielmehr aus, wenn Sie einzelne Mobbing­handlungen konkretisiert nach Personen, Datum, Ort und Inhalt der Diskriminierung darstellen. Gelingt eine präzise Darstellung, tritt eine Beweis­lastumkehr ein. Der Arbeitgeber muss dann beweisen, dass die vom Arbeitnehmer geschilderten Sachverhalte nicht zutreffend sind. Damit Arbeitnehmer im Streitfall dieser Darlegungslast nachkommen können, sollten sie ein Mobbing-Tagebuch führen, in dem sie die Vorfälle unter Nennung der genannten Kriterien protokollieren. Nur so lassen sich Vorfälle auch noch nach längerer Zeit darlegen.

Fallbeispiel

Das hat im vom BAG im Oktober 2007 entschiedenen Fall (8 AZR 593/06) genauso funktioniert. Der Kläger war seit 1987 in einem Krankenhaus als Arzt in der Neurochirurgischen Abteilung beschäftigt. Alles war wunderbar, bis ihm 2001 ein neuer Chefarzt vor die Nase gesetzt wurde. Sie ahnen es: Soeben hat der Mobber die Bühne betreten. Seit Mai 2002 fühlte sich unser Arzt nun von seinem direkten Vorgesetzten gemobbt. Im Sommer 2003 schaltete der Kläger einen Rechtsanwalt ein. Lösungs­versuche in Konfikt­vermittlungs­konferenzen scheiterten, unter anderem, weil der Chefarzt sich vollkommen unkooperativ zeigte. Das Ass im Ärmel unseres gebeutelten Doktors war aber sein Mobbing-Tagebuch. Akribisch hatte er unzählige Vorfälle festgehalten. Etwa, dass er 2002 seinen Urlaub umbuchen musste und eine Reise im Herbst abbrechen musste, dass er bei einer Diskussion über Implantatverwendung zum Jahreswechsel 2001/2002 in Gegenwart Dritter regelrecht „abgebügelt“ worden sei, dass er 2003 eine inhaltlich unzutreffende Abmahnung erhalten habe und so weiter. Auch hielt der stark gemobbte Mediziner Gesprächssituationen grob skizziert fest. Wie zum Beispiel als er am 4. Juni 2003 vom Chefarzt auf dem Flur vor den Aufzügen in Gegenwart von vier Kollegen herablassend und aggressiv darauf angesprochen wurde, dass bei einer von ihm überwachten Hirntumoroperation vier Bohrlöcher anstelle von maximal zweien gesetzt worden seien. Dabei meinte der Chefarzt, dass er es ihm „falls er so was nicht könne“, das ja mal bei einer Operation zeigen könne. Bei Änderungen in Bezug auf Operations­taktiken wurde er mehrfach vom Chefarzt mit den Worten angebrüllt: “Ich bin hier Operateur und Sie sind mein Handlanger. Sie haben zu tun, was ich Ihnen sage!” Seit November 2003 war der Arzt dann wegen einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig. Er nahm am 19. Juli 2004 seine Arbeit wieder auf. In einem Gespräch am 6. August 2004 fragte der Chefarzt den am Ende seiner Kraft angekommenen Kläger schließlich, wie er sich seine Zukunft in der Abteilung vorstelle, da er nicht mehr das Vertrauen der übrigen Kolleginnen und Kollegen besitze. Der Mobber erklärte vollmundig er werde ihn unterstützen und ihm „jederzeit behilflich sein, einen anderen adäquaten Arbeitsplatz zu finden“. Da war das Maß voll. Der arbeitsunfähig gemobbte Chirurg klagte auf Schmerzensgeld und die Entlassung seines Chefs, da der gemeinsame Arbeitgeber, also die Klinik, offenbar unfähig war, an den Zuständen etwas zu ändern. Vor dem zuständigen Landes­arbeitsgericht wurde die Klage zwar abgewiesen, aber letztlich entschied das BAG, bis zu dem der Fall vordrang, dass der Arbeitgeber nach § 278 BGB für Schäden, „die einer seiner Arbeitnehmer dadurch erleidet, dass ihn sein Vorgesetzter schuldhaft in seinen Rechten verletzt“, haftet.

Ein Arbeitnehmer, so das BAG, kann zwar grundsätzlich die Entlassung des Vorgesetzten nicht verlangen. Er hat aber einen Anspruch auf die Ausübung „rechtsfehlerfreien Ermessens durch den Arbeitgeber“. Der Arbeitgeber muss nur solche Maßnahmen ergreifen, die er nach den Umständen des Einzelfalles als verhältnismäßig ansehen darf und die ihm zumutbar sind. Eine Entlassung des Vorgesetzten kommt dabei nur in Ausnahmefällen in Betracht, wenn alle anderen Maßnahmen ausscheiden. Einen Anspruch auf das Angebot eines gleichwertigen Arbeitsplatzes, an dem er nicht mehr den Weisungen des bisherigen Vorgesetzten untersteht, hat der Arbeitnehmer nur dann, wenn ein solcher Arbeitsplatz im Unternehmen vorhanden ist. Diese Winkelzüge sind im § 1 AGG eigentlich für Fälle sexueller Belästigung vorgesehen – sie können aber nach der neuen Entscheidung des BAG auf Mobbing-Fälle übertragen werden. Dies gilt insbesondere deshalb, weil sich § 4 Beschäftigtenschutzgesetz und § 12 AGG lediglich als die Konkretisierung der dem Arbeitgeber gegenüber seinem Arbeitnehmer obliegenden Fürsorgepflicht darstellen.

Es kam also letztlich nicht zur Kündigung des Chefarztes – aber immerhin stand dieser drastische Schritt auch vor Gericht ernsthaft im Raum. Und das, weil der Kläger ein hieb- und stichfestes Mobbing-Tagebuch geführt hat, ohne das er garantiert kaum eine Chance gehabt hätte, seine Ansprüche durchzusetzen. Auch nicht auf angemessenen Schadensersatz, den er nun sicher bekommen wird.